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Russland liefert weiter Gas – und Österreich liefert sich aus

Lukas Sustala
Lukas Sustala

Eine neue „Gasunabhängigkeitskommission“ soll Einsicht in die OMV-Verträge mit der Gazprom nehmen. Endlich. Aber sie kann eine seriöse Energiepolitik nicht ersetzen.

Die interessierten Steuerzahler:innen haben nicht schlecht gestaunt. Am 9. Juli 2024 verkündete Österreichs Energieministerin die Einberufung einer „Gasunabhängigkeitskommission“. Diese soll nun endlich Einblick in die Verträge des teilstaatlichen Energiekonzerns OMV mit der russischen Gazprom bekommen.  

Das ist eher um Jahre als um Wochen zu spät. Nicht nur, weil die Regierung an sich schon bereits im Februar 2023 intensiv darüber diskutierte, „endlich“ Einblick in die Verträge nehmen zu wollen. Sondern auch, weil Österreich mehr als zwei Jahre nach dem Angriff Russlands auf die Ukraine deutlich abhängiger von russischem Gas ist als noch im Februar 2022. Der Anteil russischer Gasimporte stieg von 79 Prozent im Februar 2022 auf 89,2 Prozent zu Beginn des Jahres 2024. Diese Entwicklung steht im Widerspruch zu den Bemühungen der Europäischen Union, sich vollständig von russischer Energie unabhängig zu machen

Tatsächlich haben seit dem Einmarsch Russlands in die Ukraine im Februar 2022 viele europäische Länder ihre Abhängigkeit von russischem Gas reduziert – manche auch reduzieren müssen. Österreich jedoch ging einen anderen Weg. 2022 sank zwar der Anteil russischer Gasimporte, allerdings nur, weil die russische Gazprom die Lieferungen drosselte, um Europa zu erpressen. Das war Teil der hybriden Kriegsführung und sorgte dafür, dass der Anteil auf rund 53 Prozent im restlichen Jahr 2022 sank. Seit damals steigt der österreichische Gasimport aus Russland aber wieder laufend und erreicht seit Jahresbeginn sogar immer neue Rekorde.

Österreich hat seine Energiepolitik ausgelagert 

Warum also diese entgegengesetzte Entwicklung? Eine Erklärung ist eine passive Energiepolitik. Die Regierung verfolgt bis heute keine aktive Politik der Diversifizierung, weil sie auf die bis 2040 abgeschlossenen Verträge der OMV mit der Gazprom verweist. Diese langfristigen Verträge würden es schwierig machen, kurzfristig Alternativen zu suchen, ohne der OMV hohe rechtliche Kosten aufzubrummen, argumentiert man gern. Dazu kommt, dass bis heute kaum Investitionen getätigt wurden, um die Gasinfrastruktur von Russland unabhängiger zu machen. Erst spät wurde die Erweiterung jener Pipeline (WAG Loop) ermöglicht, die auch mehr Gasflüsse vom Westen in den Osten Österreichs sichert.  

Das führt zu der Situation, dass in Wirklichkeit der Kreml bestimmt, wie viel Geld aus Österreich für das russische Gas kommt. Denn je nachdem, wie viel die Gazprom liefert, wird das Gas von der OMV in Baumgarten auch genommen. Alternative Gasquellen wie aus Norwegen gibt es zwar, aber überwiegend auf dem Papier und als „Backup“.  

Ein Blick auf die anderen europäischen Länder zeigt aber, dass aktive Diversifizierung möglich ist, um die Abhängigkeit von russischem Gas zu reduzieren. Deutschland, einst größter Abnehmer von russischem Gas, musste seine Importe quasi über Nacht auf null reduzieren. Auch Länder im Baltikum, Italien und Frankreich haben sich rasch von Russland losgesagt. Insgesamt sind die Gasimporte der EU aus Russland im Vergleich zu 2021 um 70 Prozent zurückgegangen. Die verbliebenen Länder, die stark auf russisches Pipeline-Gas setzen, sind Österreich, Ungarn und die Slowakei. Russisches Flüssiggas wird allerdings etwa auch von Spanien importiert.

Österreich könnte von diesen Beispielen lernen. Es bedarf jedoch einer klaren politischen Strategie und Investitionen in die Infrastruktur, sowohl für erneuerbare Energien als auch alternative Gasquellen. Hier sind vor allem politische Entscheidungsträger:innen gefordert, die Weichen für eine nachhaltige und unabhängige Energieversorgung zu stellen. 

Österreich: Neuer Preisschock zu erwarten? 

Die hohe Abhängigkeit Österreichs von russischem Gas birgt auch heute noch Risiken für die Energiesicherheit. Denn ein Lieferstopp ist an sich absehbar. Wie die Profil-Journalistin Marina Delcheva treffend schreibt: „Man sucht Lösungen für ein Problem, das sich womöglich schon bald von selbst erledigt. Ab dem 1. Jänner 2025 ist die Ukraine nicht mehr vertraglich verpflichtet, russisches Gas durch ihr Staatsgebiet zu leiten. Und die zuständige Naftogaz hat schon vor einem Jahr angekündigt, dass sie den Teufel tun wird und sich mit Gazprom erneut an den Verhandlungstisch setzt.“ 

Die Diskussion um die Zukunft der Energieversorgung in Österreich ist auch eine Diskussion über die wirtschaftliche die Sicherheit des Landes. Die aktuellen Zahlen zeigen deutlich, dass es an der Zeit ist, die Energiepolitik aktiver und mutiger zu gestalten, statt in dauernder Untätigkeit und Unsicherheit zu wirtschaften.

Am Ende bleibt die Frage: Will Österreich weiterhin als energiepolitischer Geisterfahrer in Europa unterwegs sein oder den Kurs ändern und eine zukunftsfähige, unabhängige Energieversorgung aufbauen? In den nächsten Monaten werden entscheidende Weichen gestellt – oder eben nicht. Dann würden die Steuerzahler:innen auch im nächsten Sommer wieder staunen müssen. 

(Bild: SeppFriedhuber/iStock)

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