5 Gründe, um 2025 optimistisch zu bleiben
Zugegeben, die Titelzeilen der Zeitungen versprühen derzeit nicht gerade Hoffnung und gute Laune. Doch ob Sie’s glauben oder nicht: Es gibt ein paar Gründe, zuversichtlich ins Jahr 2025 zu schauen.
Vor 75 Jahren begründete Ludwig Erhard die Ära der sozialen Marktwirtschaft. Warum das Konzept nach wie vor zeitgemäß ist: ein Nachbericht zur Veranstaltung „75 Jahre Soziale Marktwirtschaft“.
„Wohlstand für alle“ – das Versprechen, das der damalige deutsche Wirtschaftsminister Ludwig Erhard 1948 abgab, klingt auch Jahrzehnte später noch gewagt.
Ein aktuelles Buch zeichnet nach, wie ungewöhnlich der Startschuss für das deutsche Wirtschaftswunder vor 75 Jahren war, das NEOS Lab veranstaltete in Zusammenarbeit mit dem NEOS-Parlamentsklub eine Podiumsdiskussion zu diesem Thema.
Mit dabei waren Prof. Dr. Stefan Kolev, Professor für Wirtschaftspolitik und Buchautor, Prof. Dr. Monika Köppl-Turyna, Direktorin von EcoAustria, und Gerald Loacker, NEOS-Nationalratsabgeordneter und Wirtschaftssprecher. Thinktank-Leiter Lukas Sustala führte durch die Diskussion.
Deutschland und Österreich teilen ein Stück ihrer grausamsten Vergangenheit, die in den Zweiten Weltkrieg mündete. Auf dessen Ende folgte bald schon das sogenannte Wirtschaftswunder. Trotz der erstaunlichen Prosperität stecke das eigentliche Wunder, so Stefan Kolev, der auch als wissenschaftlicher Leiter der Ludwig-Erhard-Stiftung arbeitet, in der Versöhnung solch zutiefst gespaltener Gesellschaften. Der Wohlstand in Deutschland und Österreich der Nachkriegsjahre war extrem ungleich verteilt. Kolev resümiert das Wunder dieser Zeit in seinem Ursprung als Überwindung einer tiefen Spaltung, materiell sowie ideologisch: „Dieses Wunder war zum einen, dass diese Gesellschaft zueinander gefunden und dass sie zum anderen zumindest auf Zeit ihren Frieden mit dem Kapitalismus gefunden hat.“
Stefan Kolev erläuterte zu Beginn die Soziale Marktwirtschaft in 7,5 Thesen.
1. Märkte sind Orte der Bedürfnisbefriedigung.
Märkte sind aber auch Plattformen von Selbststeuerung. Die Fragen von materieller Befürfnisbefriedigung und freiheitlichem Zusammenleben in einer freiheitlichen Ordnung liegen sehr nahe beieinander.
2. Märkte brauchen Spielregeln.
Anders als bei Planwirtschaften geht es bei Märkten nicht nur um materielle Bedürfnisbefriedigung, sondern sie sollen auch zu einem selbstbestimmten, würdevollen Leben befähigen. Ob das gelingt, hängt ein ganzes Stück weit von den Spielregeln ab, die wir den Märkten gegeben haben.
3. Märkte sind an sich sozial.
Als Vernetzungsplattformen ermöglichen sie Austausch.
4. Soziale Marktwirtschaft ist kein Marketingtrick.
Es ist kein inhaltsleerer Begriff. Das Soziale ist eine Suche nach noch besseren Formen des Zusammenlebens.
5. Soziale Marktwirtschaft ist kein reines Wirtschaftskonzept, sondern ein Konzept für Wirtschaft und Gesellschaft.
Nach dem Krieg hätte materiell guter Start für die Bundesrepublik nicht gereicht. Ohne gesellschaftliche Kohäsion und Akzeptanz hätte die Republik bei späteren Wirtschaftskrisen Risse nehmen können.
6. Soziale Marktwirtschaft bedeutet die Suche nach Kompromissen.
In einer sehr polarisierten Gesellschaft ging es darum, einander nicht unversöhnlich gegenüberzustehen, sondern das Gemeinsame zu finden.
7. Soziale Marktwirtschaft ist kein deutscher Sonderweg.
Die Suche nach einer gut geordneten Marktwirtschaft gab es auch in den USA, in Italien, Frankreich und an anderen Orten in Europa. Auch die Rhetorik von Sozialer Marktwirtschaft ist nichts Deutsches.
7,5. Soziale Marktwirtschaft ist kein Dogma.
Jede Generation braucht ihren eigenen Neoliberalismus. Die Soziale Marktwirtschaft von 1949 passt nicht in die heutige Zeit, wir müssen gemeinsam unsere eigene Version finden.
Stefan Kolev war digital dabei.
Das deutsche und das österreichische System unterscheiden sich in ihrer Tradition schon durch unterschiedliche Schwerpunkte: Während in Deutschland der Wettbewerb innerhalb gesetzter Rahmenbedingungen stärker verankert ist, ging es in Österreich immer mehr um die Sozialpartnerschaft. Märkte funktionieren grundsätzlich sozial, so Köppl-Turyna, weil durch Leistung auch ein Aufstieg möglich wird. Mit den Schlagworten „Leistung, Aufstieg, Sicherheit“ drang die Idee der Sozialen Marktwirtschaft in Form eines Wirtschaftsprogramms auch nach Österreich.
Auch Gerald Loacker betonte die Unterschiede im jeweiligen Selbstverständnis der beiden Länder: Während in Deutschland die Soziale Marktwirtschaft als Grund für den Wohlstandsgewinn gilt, wird in Österreich vielmehr der Erfolg der Sozialpartnerschaft zwischen ÖVP und SPÖ betont. Das Wettbewerbsdenken schwappte bereits in den 1950er Jahren von Deutschland auf andere Teile Europas über. Österreich trat diesem dann europäischen Projekt marktwirtschaftlicher Wettbewerbsmechanismen erst vergleichsweise spät bei.
Auf die Frage, ob man auch heute noch ein Buch mit dem hochgegriffenen Versprechen „Wohlstand für alle“ glaubwürdig veröffentlichen könnte, antwortet Kolev ohne zu zögern mit Ja. Umstritten war das Versprechen schon damals, und die Bevölkerung musste in einem anspruchsvollen Kommunikationsprozess erst von der Vision überzeugt werden. „Es ist damals wie heute das dringendste Anliegen von Liberalen.“
Für den Professor der Wirtschaftspolitik liegt die Abgrenzung Liberaler zu anderen politischen Strömungen auch im Wohlstandsversprechen durch marktwirtschaftliche Mechanismen.
„Liberale sind die Einzigen, die sich an eine Gesellschaft aus Individuen richten, nicht an Klassen und nicht an Rassen, und von daher ist Wohlstand für alle eben das einzig mögliche Versprechen, das Liberale abzugeben haben.“
Stefan Kolev
Dahinter liegt die Überzeugung, so Loacker, dass sich die Gerechtigkeit in einer Gesellschaft an der Chancengleichheit messen lässt. Deshalb sind für NEOS Themen wie gute Bildung und steuerliche Entlastung auch so wichtig, da hierüber ein bevormundender Staat auch schlichtweg die Möglichkeiten auf individuelle Entfaltung und Erreichbarkeit von Wohlstand raubt.
Ein Blick in die Geschichte allein genügt, um zu plausibilisieren, warum wir an den Prinzipien der Sozialen Marktwirtschaft festhalten sollten, so Köppl-Turyna. Die genaue Ausdeutung, wie viel Soziales und wie viel Marktwirtschaft es sein soll, ist damit noch nicht getroffen.
In Deutschland herrscht derzeit wieder mehr Sorge vor einem neuen Staatskapitalismus. Das liegt zum Einen daran, dass die Globalisierung schwächelt und die Märkte weniger offen werden, aber auch an neuen Eingriffen. Kolev vergleicht die optimale Rolle des Staats mit der eines Schiedsrichters, der selbst nicht in das Spiel involviert ist und die beteiligten Mannschaften nach allgemeinen Regeln behandelt. Wenn einzelne Nationalstaaten oder auch die Europäische Union als Ganzes diese allgemeinen Regeln aufgeben oder aufweichen, werden sie automatisch zur attraktiven Beute von korrupten Akteuren.
Seit der Corona-Pandemie ist hier eine besorgniserregende Tendenz zu beobachten. So attestiert die Ökonomin Köppl-Turyna der derzeitigen Regierung einen fehlenden politischen Willen zur Effizienz. Man habe sich bereits an hohe Ausgaben und Förderungen gewöhnt, ganz nach dem Motto: Koste es, was es wolle.
Fragen nach der Effizienz von neuen Gesetzesvorhaben oder dem staatlichen Verwaltungsapparat spielen, so Loacker, für kaum einen Politiker im Parlament eine Rolle. Steuergeld sollte nach dem Anspruch des größten Nutzens eingesetzt werden, mahnt der NEOS-Wirtschaftssprecher.
„Die Konservativen vertreten die Unternehmen, wir vertreten eine funktionierende Marktwirtschaft.“
„Sozialdemokraten halten es für gerecht, wenn jeder das Gleiche bekommt. Wir Liberalen halten es für gerecht, wenn jeder die gleichen Chancen hat.“
Gerald Loacker
Was nun aber tun in der aktuellen Gemengelage einer hohen Inflation und gleichzeitiger Kippe hin zur Rezession? Alle Expert:innen waren sich hierin einig: Der Finanzminister und das Parlament dürfen den Kampf gegen die Inflation erschweren. Die Budgetpolitik darf die Geldpolitik nicht konterkarieren. Politik sollte den Weg für eine Entfesselung des Angebots durch Entbürokratisierung ebnen. Nur dann werden die Preise wieder fallen, so Kolev. Anstatt neuer Regulierungsoffensiven bräuchte es gerade jetzt einen qualitativ besser aufgestellten Staat mit neuen Möglichkeiten.
Aber wie sehr funktioniert der Wettbewerb noch, der das Fundament der sozialen Marktwirtschaft ist, in einer Welt, in der Microsoft und Apple zu gigantischen Konzernen angewachsen sind? Seit Jahren erheben sich auch Stimmen, die etwa die Zerschlagung dieser mächtigen Konzerne fordern.
Kolev beobachtet diese Entwicklung differenziert, indem er auch auf die positiven Wirkungen hinweist. Gerade für ärmere Länder sei das teilweise kostenlose Angebot der Technik-Giganten wirklich wichtig. Man solle viel eher sensibel mit dem Thema Marktmacht umgehen und anstatt die Großen einfach klein zu machen für ein unternehmerisches Umfeld sorgen, in dem Startups schnell zu Konkurrenten werden können. Immerhin sei die Vergänglichkeit von Marken nicht zu unterschätzen (Stichwort: Nokia).
Für den europäischen Kontinent, so erwidert Köppl-Turyna, sei der Zug für Technologiekonzerne bereits abgefahren. Anders hingegen beurteilt die Ökonomin die Situation der europäischen Pharmaindustrie, die immer noch viele Patente hervorbringe. Um die Zukunftsfähigkeit dieses Sektors zu erhalten, helfe erstmal eine stärkere Integration europäischer Märkte, um sich mittel- und langfristig nicht gegenseitig zu schwächen.
„Märkte funktionieren grundsätzlich sozial. Durch Leistung ist auch Aufstieg möglich.“
Monika Köppl-Turyna
Auf die Abschlussfrage nach der einen Maßnahme, die die Diskutant:innen als entscheidend für eine Neuauflage des Wohlstands- und Aufstiegsversprechens erachten, fiel die Wahl im Plenum recht unterschiedlich aus. Stefan Kolev, der selbst bulgarische Wurzeln hat, ordnete vor allem den Umgang mit Einwanderung als politische Schlüsselfrage ein. Nur wenn die Migration europäisch klug angegangen werde, hätten demokratiegefährdende Kräfte wie die AfD und die FPÖ keinen Nährboden mehr.
Monika Köppl-Turyna appellierte an den Glauben an Marktmechanismen und eine neue Demut der Politiker:innen, dass sie eben nicht alles regulieren können und sollten. Anschließend daran sprach sich Gerald Loacker für die Erinnerung an Nachkriegsdeutschland aus, in dem den Menschen vermittelt wurde, dass man aus eigener Kraft auch zu etwas komme.
(Fotos: Stefan Popovici Sachim)
5 Gründe, um 2025 optimistisch zu bleiben
Zugegeben, die Titelzeilen der Zeitungen versprühen derzeit nicht gerade Hoffnung und gute Laune. Doch ob Sie’s glauben oder nicht: Es gibt ein paar Gründe, zuversichtlich ins Jahr 2025 zu schauen.
Wie steht’s jetzt um die Demokratie?
Am Ende des Superwahljahrs 2024 stellt sich die Frage, wie es um die Demokratie in Österreich und Europa steht. Weder die Wahlergebnisse noch die politischen Erdbeben in Deutschland und Frankreich geben auf den ersten Blick viel Hoffnung, ganz zu schweigen von der schlechten Wirtschaftslage. Und doch genießt Europa gerade jetzt so viel Vertrauen wie schon lange nicht.
Und was wird aus den Pensionen?
Nicht nur Österreich, sondern fast die ganze Welt ist mittlerweile im Zeitalter der Entvölkerung angekommen: Die Fertilitätsrate sinkt oder stagniert auf niedrigem Niveau, gleichzeitig steigt die Lebenserwartung immer weiter. Was bedeutet das für den Sozialstaat? Und wird einmal die Pensionen der Jungen bezahlen? Von Georg Lundström-Halbgebauer und Lukas Sustala.