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Warum man den Lehrer_innenberuf neu denken muss

Wer die beste Bildung fordert, muss auch ein System schaffen, das die besten Lehrer_innen hervorbringt. Denn sie sind der wichtigste Erfolgsfaktor im Klassenzimmer. Doch der Lehrer_innenberuf hat einen schlechten Ruf und der Karriereweg verspricht wenig Aufstiegsmöglichkeiten. Anreizsysteme und ausreichend Unterstützung für Lehrer_innen fehlen. Auch der internationale Vergleich zeigt, dass es enormen Aufholbedarf gibt. Eine Neuorientierung des wichtigsten Berufs des Landes ist deswegen unumgänglich. Von Johannes Stolitzka

Photo by Max Fischer on Pexels.

Wer in Österreich den Lehrer_innenberuf wählt, muss sich oft mit der traurigen Wahrheit einer "Karriere ohne Karriere" auseinandersetzen. Denn der Aufstieg innerhalb des Berufszweigs ist bereits nach wenigen Jahren vollendet, danach befindet man sich über Jahrzehnte auf einer Einbahnstraße. 

Doch es scheitert oft schon in der Ausbildung und Weiterbildung an den richtigen Kompetenzen. Das drückt natürlich die Qualität des Unterrichts. Karrieren neben der Lehrkarriere oder ein Quereinstieg sind nur schwer zu vollziehen. Denn trotz der Forderung nach mehr praxisnahem Unterricht von Praktiker_innen aus der Wirtschaft und der Gesellschaft, ist es schwer, in den Lehrer_innenberuf quereinzusteigen. Initiativen wie Teach for Austria, die Personen aus der Wissenschaft und der Wirtschaft in den Lehrer_innenberuf holen, haben lange für Akzeptanz kämpfen müssen. Und ein zeitlich begrenzter Querausstieg ist ebenfalls nicht Usus. Zwar gibt es das Projekt "Seitenwechsel", das es Lehrer_innen ermöglicht, für eine gewisse Zeit in die Privatwirtschaft zu wechseln, doch das ist eine Ausnahme. 

Generell ist die Lehrerkarriere von Monotonie geprägt. Doch werden Lehrer_innen auch nicht mit der besten Infrastruktur versorgt. So fehlt es an genug Raum für die Arbeit außerhalb der Klasse und es gibt weitestgehend keine Arbeitstelefone oder Arbeitslaptops - welche das Bildungsministerium zwar versprochen hat, aber nicht für alle garantieren kann. Außerdem schaffen es viele gute Ideen aus der Lehrerschaft selten nach oben. Das System ist zu behäbig und festgefahren, um Innovation aus den eigenen Reihen zuzulassen. Unter diesen Verhältnissen kann jedoch auch die Qualität des Unterrichts leiden. Denn Österreichs Lehrer_innen zeigen im internationalen Vergleich einen unterdurchschnittlichen Enthusiasmus, wie Ergebnisse einer Schüler_innenbefragung bei PISA 2018 zeigten. Das kann natürlich negative Auswirkungen auf den Bildungserfolg der Schüler_innen haben.

Doch auch wenn es darum geht, 21st Century Skills wie z.B. digitale Kompetenzen im Unterricht, zu lehren, steht es um die Kenntnisse der österreichischen Lehrer_innenschaft eher schlecht. So absolvierten nur 46% der befragten Lehrer_innen laut TALIS Lehrer_innenumfrage der OECD 2018 eine Ausbildung im digitalen Bereich. Zudem fühlten sich nur 20% überhaupt vorbereitet, digitale Tools im Unterricht zu verwenden, wie Abbildung 2 zeigt. Wobei sich hier sehr große Unterschiede zwischen den Generationen unter und über 35 Jahren zeigen und es außerdem einen enormen Mangel in der digitalen Infrastruktur an Schulen gibt.

Dieser Generationenunterschied deutet auch darauf hin, dass es nicht nur ein Ausbildungsproblem gibt. Anders wie in Finnland oder Estland, gibt es kein Aufnahmeverfahren zum Lehramtsstudium, das diesem Wort gerecht wird. So gibt es auch ein Weiterbildungsproblem. Das wurde in den ersten Monaten der Schulschließungen während der Covid-19-Pandemie deutlich: So waren gerade einmal 12.000 Anmeldungen zu Massive Open Online Courses zur digitalen Weiterbildung eine traurig niedrige Zahl, wenn man bedenkt, dass fast 130.000 Lehrer_innen in Österreich unterrichten. Hier schafften es die Verantwortlichen nicht, die Lehrer_innen mit einem entsprechenden Angebot abzuholen.

Generell ist anzumerken, dass es keine gesetzliche Verpflichtung zur Weiterbildung gibt, jedoch oft Stundenkontingente, die mit Weiterbildungskursen befüllt werden sollen, vorgeschrieben werden. Diese Stundenkontingente sind aber nicht zwangsläufig an ein Weiterbildungscurricula gebunden, weswegen von vielen Seiten eine Weiterbildungspflicht gefordert wird. In Finnland ist eine Weiterbildung ebenfalls nicht verpflichtend, jedoch wird den Pädagog_innen schon in der Ausbildung genug Selbstständigkeit zugeschrieben: Dadurch haben sie nicht nur weitgehende Freiheiten in der Gestaltung des Unterrichts, sondern nehmen sie auch Weiterbildungen, selbstverständlich bei einem guten Angebot, in Anspruch.

In den nächsten Jahren wird das Schulsystem eine Pensionswelle des Lehrpersonals erleben. Doch fehlt es durch ein schlechtes Image an genug Interessent_innen für diesen Beruf. Das droht zu einem massiven Lehrer_innenmangel führen. Deswegen braucht es eine Imagekur für den Lehrer_innenberuf. Es braucht eine stärker zielgerichtete Aus- und Weiterbildung und mehr Anreize zum Querein-, um- und ausstieg. Das Lehramtsstudium muss ein breiteres Angebot schaffen und darf nicht mehr der Anfang einer Einbahnstraße sein. Zu viel hängt von diesem Berufsstand ab. Der Lehrer_innenberuf muss zum wichtigsten Job Österreichs werden.

Um genau das zu erreichen, wird die Bildungsinitiative des NEOS Lab, "Talente blühen!", 2022 Lösungen für eine Aufwertung und Neuorientierung des Lehrer_innenberufs gemeinsam mit Expert_innen, Lehrer_innen, Direktor_innen uvm. erarbeiten. Schlussendlich will die Initiative der Politik zeigen, was alles möglich ist. 

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