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Von Safety-Cars und Wettbewerb: Wohin geht die Reise am Energiemarkt?

Maria Lutz
Maria Lutz

Die gute Nachricht zuerst: Am Großhandelsmarkt klingt der akute Energiepreisschock langsam ab. Uns alle trifft hingegen die schlechte Nachricht: Am Endkundenmarkt sind deutliche Preisbewegungen talwärts kaum zu erkennen. In ihrer zweiten Podcast-Episode widmen sich Lukas Sustala, Wolfgang Urbantschitsch und Karin Doppelbauer daher der Frage, wohin Energiepreise und -Märkte nun, „nach dem Energieschock“, steuern.

Foto: Hasan Zahra / pexels.com

Österreich zählt derzeit zu den teuersten Märkten für Gas-Endverbraucher, wie der Haushaltsenergiepreisindex Europa zeigt. Wurde in der ersten Episode zum Thema „Der Energiemarkt nach dem Energieschock“ geklärt, wie Österreich zu Putins bestem Gas-Kunden wurde, gehen Wolfgang Urbantschitsch, Vorstand der E-Control Austria, und Karin Doppelbauer, NEOS Energiesprecherin, in dieser zweiten Episode anderen drängenden Fragen nach, wie zum Beispiel: Warum sinken die Preise in Österreich aktuell langsamer als anderswo?

Preis ist nicht gleich Preis

Täglich neue Schreckensmeldungen steigender Preise: Daran hat man sich in Zeiten der Energiekrise gewöhnt. Allerdings würde dabei oftmals nicht ausreichend differenziert, mahnt der E-Control-Vorstand, Wolfgang Urbantschitsch. Von Großhandelspreisen über Indizes bis hin zu den Endkundenpreisen: „Es gibt eine Vielfalt an Preisen. Was man definitiv sagen muss: Nach diversen Preiserhöhungswellen sind die hohen Preise jetzt praktisch durchgängig auf den Endkundenmärkten angekommen.“ Es habe zu Beginn einen gewissen verzögerten Effekt gegeben. Wie gerechtfertigt nun die Steigerungen seien, müsse man im Konkreten analysieren und sei mitunter abhängig von den einzelnen Produkten und Anbietern. „Das hängt mit der Beschaffungsstruktur zusammen. Gas und Strom, der heute verkauft wird, ist tatsächlich je nach Beschaffungsportfolio im vergangenen Jahr zu hohen Preisen gekauft worden.“

Haben wir das Schlimmste überstanden?

Laut VPI (Verbraucherpreisindex) ist Österreich im europäischen Vergleich derzeit das Land mit der höchsten annualisierten Inflationsrate im Bereich Gas (Stand Jänner 2023). Ist der Höhepunkt der Teuerung im Energiesektor damit erreicht, darf man nun auf ein Abflauen der Preise hoffen? Wolfgang Urbantschitsch bejaht: „Der Peak sollte für die Bestandsverträge so um Jahresmitte erreicht sein. Bei Neukundenverträgen sehen wir schon jetzt günstige Angebote. Bei Gas kann sich Wechseln mittlerweile wieder lohnen. Bei Strom auch, wenn man einen höheren Tarif hat, als der aktuelle Durchschnittstarif.“

Eine gewisse Eigenverantwortung, Wechselwilligkeit und Souveränität könne man den Endkund:innen jedenfalls nicht abnehmen. Allerdings: „Was die KonsumentInnen brauchen, ist Information: Über Preise, Teilbetragsvorauszahlungen, wie sich Stromrechnungen überhaupt zusammensetzen. Diese Information von den Energieunternehmen zu bekommen, ist im Augenblick ein riesiges Problem. Wenn die Schreiben und die Informationen transparenter wären, würden nicht so viele Leute anrufen.“ Eine Frage der Transparenz also – und durchaus auch des Konsumentenschutzes.

Tatsächlich wurde seit Beginn der Energiekrise so manches Versprechen seitens vieler Energieversorger und Stromanbieter gebrochen - vermeintlich. Warben sie die Jahre zuvor mit „100% Erneuerbare“, „100% Strom aus Österreich“ und anderen Versprechen, war für viele Kund:innen spätestens 2022 nur schwer nachvollziehbar, wieso beispielsweise Strom plötzlich auch für sie teurer wurde. Ein Blick auf die Daten zeigt das wahre und durchaus ernüchternde Bild: Die Stromproduktion aus Erneuerbaren stagniert in Österreich seit Jahren.

Wettbewerb: Vom Suchen und Finden

Wer sich jedenfalls im vergangenen Jahr auf die Suche nach Angeboten verschiedener Stromanbieter machte, wurde mit eher magerer Ausbeute belohnt. Der E-Control-Vorstand bestätigt diesen Eindruck: „Im vergangenen Jahr ist der Wettbewerb zum Erliegen gekommen.“ Kleinere Anbieter zogen sich vom Markt zurück, Landesenergieversorgungsunternehmen, die früher österreichweit tätig waren, boten außerhalb ihres Bundeslandes nicht mehr an. Heute, im noch „jungen“ Jahr 2023, kehre der Wettbewerb langsam wieder zurück: „Vor etwa 2 Jahren hat, wer in Wien nach einem Stromanbieter suchte, man wahrscheinlich 120 bis 150 Angebote gehabt, mittlerweile liegen wir wieder bei etwa 60. Es gibt also durchaus wieder eine ansehnliche Zahl an Angeboten.“

Klare Worte findet Wolfgang Urbantschitsch allerdings zur allgemeinen Wettbewerbssituation in Österreich:

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Wolfgang Urbantschitsch

„Dieses Land hat keine Wettbewerbstradition. Ein nennenswertes Wettbewerbsrecht hat Österreich erst 1994 mit dem Beitritt zur EU, eigentlich zum IWR, bekommen, dann kam es zum Aufbau von wettbewerblichen Strukturen. Die E-Control hat zu diesem als Wettbewerbsbehörde durch ihre Tools, wie den Tarif-Kalkulator, beigetragen. Was sich seit Beginn der Liberalisierung allerdings überhaupt nicht geändert hat, ist die Struktur der österreichischen Energiewirtschaft. Kreuzbeteiligungen sind vor Einführung des Kartellrechts und des Fusionskontrollrechts aus historischen Gründen entstanden. Das ist natürlich schon ein Grund, warum dieser Wettbewerb bis heute schaumgebremst ist.“

Mehr Wettbewerb, der es den einzelnen Marktteilnehmern erleichtert, am Markt tätig zu sein, würde jedenfalls einen wünschenswerten Beitrag zu sinkenden Preisen liefern.

Wettbewerb: Wichtig, aber alleine nicht krisenfest

Blicke man zurück, zeige sich durchaus, dass sich der Wettbewerb in Österreich positiv auf die Preise ausgewirkt habe, erklärt Wolfgang Urbantschitsch: „Wir haben seit der Liberalisierung wirklich sehr gute, sehr günstige Preise gehabt, das ist auf den Markt und auf die Integration der Märkte zurückzuführen.“ Insoweit hätten Markt und Wettbewerb „in buchstäblichen Friedenszeiten“, wenn auch ausbaufähig und mit Weiterentwicklungsbedarf, durchaus gut funktioniert. Ganz ohne Hilfen geht es, laut dem E-Control-Vorstand, dann aber doch nicht. Das Marktmodell habe sich als nicht krisenfest erwiesen: „In der Krise hat es sich als nicht funktionsfähig in dem Sinn erwiesen, dass es nicht zu leistbaren Preisen geführt hat. Der Markt hat getan, was man bei einer Verknappung eines Gutes - diese ist eingetreten, indem schlichtweg weniger Gas gekommen ist - von ihm erwarten kann: Die Preise sind in die Höhe geschossen.“ Die deutlich gesprungenen Preise im vergangenen Jahr hätten klar vor Augen geführt, dass dieses Marktmodell für die Menschen in Krisenzeiten schlichtweg nicht leistbar sei. Die Krisenfunktion des Marktes sei deshalb etwas, wo jedenfalls nachjustiert werden müsse. Der E-Control-Vorstand kann sich hier im Anlassfall wohldosierte Eingriffe in das Marktmodell vorstellen, sozusagen „Safety-Car-Runden“ am Energiemarkt: „Es passiert etwas auf der Rennstrecke, man lenkt das Rennen in Bahnen: Ein Akuteingriff in das Marktmodell, damit man, buchstäblich, über die Runden kommt. Staatliche Intervention, die man jedoch sofort beendet, sobald der Anlass beseitigt ist, sodass der freie Wettbewerb wieder in Gang gesetzt wird.“

Hilfe! Aber bitte treffsicher

Teure, wenig treffsichere „Symptombekämpfung“ in Form von Boni, Gutscheinen und Preisbremsen sei jedenfalls keine Dauerlösung, hier herrscht zwischen Regulierungsbehörde und Politik Einigkeit. „Es braucht Treffsicherheit. Diese war während der Pandemie und ist jetzt, während der Energiekrise, nicht gegeben. Das kostet uns unglaublich viel Geld. Steuergelder, die eigentlich gebraucht würden, um nachhaltig zu investieren und zu wirtschaften.“, bekräftigt NEOS-Energiesprecherin Karin Doppelbauer.

Durch gewisse Instrumente der Bundesregierung, wie beispielsweise die Strompreisbremse, sieht die liberale Politikerin den Wettbewerb in Österreich darüber hinaus weiter unterminiert:

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Karin doppelbauer

„Wir fordern einen Strompreisgipfel mit allen Stakeholdern, angefangen von der E-Control, bis hin zu den Landesenergieversorgern, um die Preise rasch dorthin zu bringen, wo sie sein sollten, wenn man dem Marktdesign und den Marktpreisen folgt. Die Energiewirtschaft Österreichs muss sich um einen runden Tisch versammeln und dafür sorgen, dass die Preise wieder leistbar werden. Ständig mit der Gießkanne Fördergelder zu verteilen, die am Ende des Tages nichts anderes provozieren, als dass die Preise künstlich hochgehalten werden, darf nicht die Lösung sein. Aus dieser Endlosschleife müssen wir raus.“

Bei der sogenannten Stromkostenbremse werden Strompreise bis 40 Cent pro Kilowattstunde unterstützt. Mit 2900 Kilowattstunden sei diese Bremse als Unterstützung für Kund:innen sehr großzügig bemessen – und damit „nicht sonderlich wettbewerbsfördernd“, erklärt auch der E-Control-Vorstand: „2900 Kilowattstunden, sagt man, sind ungefähr 80% eines durchschnittlichen Haushaltes. Eine gewisse Energieeinsparungskomponente ist dadurch gegeben, viele werden diese 2900 Kilowattstunden jedoch gar nicht verbrauchen.“ Man achte jetzt sehr genau darauf, dass diese Kostenunterstützung tatsächlich bei den Kund:innen ankomme „und nicht in Form höherer Preise bei den Energieunternehmen hängen bleibt“.

Notwendigkeit Netzausbau

„Was wir unbedingt brauchen, ist der Netzausbau, um erneuerbare Anlagen ans Netz zu bringen und den Strom auch abtransportieren zu können.“, erklärt Wolfgang Urbantschitsch. Konkrete Ausbaupläne gäbe es. Auch ein neues Regulierungsmodell, mittels welchem „der regulatorische Rahmen geschaffen wird, um die Netze diesmal in einer noch größeren Dimension auszubauen“, ist in Zusammenarbeit mit den Netzbetreibern sowie Amtsparteien (AK, WKÖ) in Arbeit und werde ab kommendem Jahr gelten. Allerdings liegt es, trotz häufiger gegenteiliger Behauptungen der Energiewirtschaft, „nicht nur an den regulatorischen finanziellen Rahmenbedingungen, sondern an den Genehmigungsverfahren, den Flächen, den koordinierten Ausbauten.“ Die Akzeptanz für die Thematik sei generell jedenfalls gestiegen, „so nach dem Motto: Lieber das Windrad in der Nähe, als das Gas aus Russland. Es geht darum, neue Modelle zu finden, um diese Akzeptanz noch zu erhöhen.“

Jedenfalls in die Pflicht nehmen müsse man dabei laut Karin Doppelbauer die Bundesländer. Dass kritische technische Infrastruktur grundsätzlich in jeweiliger Länderhand liege, sei – auch aus liberaler Sicht – an sich gut. Allerdings brauche es hierbei, insbesondere im Falle eines solchen technischen Monopols, vollkommene Transparenz und, nicht zuletzt, Kontrolle, mahnt die NEOS-Energiesprecherin: „Der Netzausbau stockt deswegen, weil die Länder nicht in die Gänge kommen. Was ist mit den Geldern passiert, die wir die letzten Jahrzehnte für die Netze ausgegeben haben?“ Um Netzausbau und Energiewende bewältigen zu können, sieht sie die Notwendigkeit nach tatsächlicher „Entflechtung“ der Netze, raus „aus den Fängen der Landespolitik“, und Transparenz. 

Auch die Möglichkeit für den Entzug von Netzkonzessionen durch die E-Control kann sie sich bei Ausbauverzögerungen vorstellen.

Nach dem Energieschock ist vor der Energiewende?

Wie also bekommen wir sie hin, die Transformation? Befragt nach den wichtigsten Hebeln erklärt E-Control-Vorstand Wolfgang Urbantschitsch: „Alles, was den Ausbau der Infrastruktur unterstützt, ist willkommen.“ Dazu zählt er den Ausbau der Erneuerbaren und der Netzinfrastruktur, die Reduktion des Energieverbrauchs vor allem bei fossilen Energieträgern und die Schaffung von Wettbewerbsbedingungen, die entsprechende Anreize für Kund:innen bewirken. Um diesen Wettbewerb wirklich zuzulassen, brauche es zudem „eine Veränderung der Struktur der Energieversorger“, ergänzt NEOS-Energiesprecherin Karin Doppelbauer abschließend. Und: „Wir müssen endlich aus den Verträgen mit der OMV rauskommen, denn das ist tatsächlich ein großes Risiko für die Zukunft.“

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