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Was hat das Budget bloß so ruiniert?

Lukas Sustala
Lukas Sustala

Österreichs Wirtschaftspolitik hat sich lange als „sparsam“ inszeniert, doch diese Zeiten sind vorbei. Die Regierung hat die Staatsverschuldung dramatisch in die Höhe getrieben. Brüssel fordert nun Einsparungen, der Fiskalrat warnt, und der Finanzminister streitet öffentlich über das Ausmaß der tatsächlichen Lage. Ein Sparpaket ist unvermeidlich. Eine Analyse zur budgetpolitischen Entgleisung von Lukas Sustala. 

In den vergangenen fünf Jahren hat sich Österreichs Bundesregierung gut darin gefallen, sich als besonders „sparsam“ innerhalb der Europäischen Union zu positionieren. Altkanzler Sebastian Kurz etwa hat in der Pandemie die Nähe zu Schweden, Dänemark und den Niederlanden gesucht und Österreich als Teil der „sparsamen Vier“ zu positionieren versucht. Magnus Brunner hat als Finanzminister stets betont, dass Österreich „besser“ als im EU-Schnitt liege und sich für strenge, glaubwürdige europäische Fiskalregeln ausgesprochen.

Von der Realität eingeholt

Doch die Ankündigungspolitik der Bundesregierung wurde von der Realität eingeholt. Mittlerweile ist es Österreich, das einen Brief aus Brüssel mit Sparvorgaben bekommen hat, weil Türkis-Grün die Neuverschuldung derart in die Höhe geschraubt hat. Und der österreichische Finanzminister hat einen Streit mit dem Fiskalrat über die genaue Berechnung der Staatsverschuldung vom Zaun gebrochen, weil er unabhängige Kritik an der Budgetpolitik offenbar nicht goutierte.

Mit der liberalen Denkfabrik Agenda Austria lieferte sich der Finanzminister ein öffentliches Duell um „seriöse“ Budgetkennzahlen. Als diese nämlich thematisierte, dass Österreich bei der Pro-Kopf-Verschuldung (Schulden in Euro pro Einwohner) schlechter als Griechenland liegt, rückte der Finanzminister höchstpersönlich aus, um der Denkfabrik einen „absurden und unseriösen“ Vergleich vorzuwerfen.

Fakt ist jedenfalls: Österreich zählt innerhalb der EU längst nicht mehr zu den sparsamen Volkswirtschaften. Natürlich ist das Land weit entfernt von der Verschuldung von Italien oder Griechenland. Und dank einer hohen Wirtschaftsleistung steht Österreich auch beim wichtigen Indikator „Schuldenquote“ weit besser da. Diese drückt die Schulden in Prozent des Bruttoinlandsprodukts aus. Doch von der Spitze ist Österreich immer weiter entfernt; Österreichs Budgetpolitik wird zunehmend zur Belastung für den Wirtschaftsstandort, weil angesichts der davongaloppierenden Ausgaben Unternehmen die Sorge umtreibt, dass eine kommende Regierung die Steuern anhebt. Zwischen 2020 und 2024 machte Österreich insgesamt rund 100 Milliarden Euro an neuen Schulden. In Prozent der Wirtschaftsleistung 2024 liegt Österreich weit über den Staaten Nordeuropas (Schweden, Finnland, Dänemark) oder den Benelux-Ländern. Zu den „sparsamsten“ Vier gehört Österreich jedenfalls deutlich nicht. Von 27 EU-Ländern liegt Österreich bei der Neuverschuldung 2020–2024 auf Rang 19: Nur die Slowakei, Belgien, Spanien, Frankreich, Ungarn, Malta, Italien und Rumänien liegen noch schlechter. Die wirklichen „sparsamen“ Drei (Dänemark, Schweden und Finnland) liegen auf Rang 1, 4 und 13.

Sparpaket: Darf’s a bisserl weniger sein?

Ökonom:innen sind sich daher ziemlich einig: Österreich braucht ein Sparpaket. 

Weil das allerdings unbeliebt ist, betreiben die Regierungsparteien aktuell wieder Realitätsverweigerung. Der amtierende Bundeskanzler Karl Nehammer stellt ein Sparpaket in Abrede. Aus den Schulden könne man vielmehr „herauswachsen“. Das ist allerdings eine kühne Ansage, denn Österreich war seit 2019 das EU-Schlusslicht in Sachen Wachstum.

Die Frage nach einem Sparpaket kann also getrost beantwortet werden: Ja, es wird ein Sparpaket brauchen. Die Frage ist nur: „Wie groß muss es sein?“ Die EU-Kommission fordert eine sofortige Anpassung an die Maastricht-Kriterien, also die vielzitierten Schuldenregeln. Demzufolge müsste die nächste Regierung rasch rund 2,5 bis 4 Milliarden Euro einsparen. Nun ließe sich diese Summe sowohl mit höheren oder neuen Steuern beschaffen als auch mit Ausgabenkürzungen. Doch gegen höhere Steuern spricht 1. dass Österreich bereits jetzt eine der höchsten Steuer- und Abgabenquoten der Welt hat, und 2. die Wirtschaftslage so schwach ist, dass neue Steuern Gift für die Konjunktur wären.

Ausgabenkürzungen sind die realistischere Option – und glaubt man neuen Umfragen, auch die weitaus beliebtere. So geben in einer aktuellen Befragung des Standard rund 64 Prozent an, dass Österreich bei den Ausgaben sparen sollte, um das Budget wieder in Balance zu bringen. In einer Umfrage für den Pragmaticus wiederum wurden viele Dimensionen der Wirtschaftspolitik abgefragt: Eine solide Mehrheit von rund 80 Prozent stimmt der Aussage zu, „Der Staat könnte mit deutlich weniger Steuergeld annähernd dieselben Leistungen erbringen, wenn er sparsam wäre.“ 71 Prozent geben wiederum an, dass die Steuerlast in Österreich zu hoch ist.

Wo genau sparen? Und wie viel? 

Bleibt also die zentrale Frage: Wie groß muss ein Sparpaket sein? Tatsache ist: Die bis zu 4 Milliarden Euro an Einsparungen sind sehr rasch umzusetzen, und zwar nur, um das absolute „Minimum“ zu erreichen, nämlich die EU-Fiskalregeln. Eigentlich, und das ist ein großes Wort in diesem Zusammenhang, sollte sich die Republik Österreich vornehmen, über einen Konjunkturzyklus hinweg maximal eine Neuverschuldung von 0,5 Prozent anzustreben. Das sehen auch die österreichischen Spielregeln im sogenannten Stabilitätspakt vor, der einen „strukturellen Haushaltssaldo“ von -0,45 Prozent des BIP vorsieht. Doch laut den offiziellen Schuldenwächtern des Fiskalrats ist Österreich von diesem gesteckten Stabilitätszielen weit entfernt. Um tatsächlich die eigenen Vorgaben des Stabilitätspaktes zu erreichen, müsste Österreich sogar Einsparungen in Höhe von 11,7 Milliarden Euro vornehmen. Das ist jedenfalls kein kleines „Sparpaket“ mehr, sondern ein großes Reformpaket.

Ansetzen könnte man dafür bei den österreichischen Förderungen. Das sieht sogar der Finanzminister so, selbst wenn er in seiner Amtszeit nichts dazu unternommen hat. Österreich lag bei den gesamten Förderungen (Bund, Länder und Gemeinden) in den vergangenen Jahren deutlich über dem EU-Schnitt. Unter dem Motto „Koste es, was es wolle“ erreichten die Subventionen und sonstigen Ausgaben mit Förderungscharakter die schier unglaubliche Summe von fast 9 Prozent der gesamten Staatsausgaben.

Darüber hinaus braucht es jedenfalls Maßnahmen, um die hohe Ausgabendynamik bei den Pensionen oder der Pflege einzubremsen. Doch diese Maßnahmen wirken erst zeitverzögert. Angesichts der großen kurzfristigen Herausforderungen für das Budget stellt sich eher die Frage, ob sich die nächste Bundesregierung nicht nur mit dem Adjektiv „sparsam“ schmücken möchte, sondern auch dementsprechend handeln wird.

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