Dass der Begriff „strategische Autonomie“ dieser Tage immer wieder fällt, etwa vom französischen Präsidenten Emmanuel Macron bemüht, liegt nicht zuletzt daran, dass bei der Fähigkeit Europas, eigenständig zu handeln und auf globale Herausforderungen ohne die Hilfe der USA und anderer Großmächte eigenständig zu reagieren, vergleichsweise wenig weitergegangen ist. Diese strategische Unabhängigkeit umfasst ja viele zentrale Bereiche: Sicherheitspolitik, Wirtschaft und Energie. Und der Satz „Europa hat sich von Russland in Sachen Energie, von China in Sachen Lieferketten und von den USA in Sachen Sicherheit abhängig gemacht“ trifft wohl immer noch zu zwei Dritteln zu. Einzig in Sachen Energie wurde die Abhängigkeit von Russland wesentlich reduziert, auch wenn Österreich hier eine unrühmliche Ausnahme darstellt.
Insbesondere in der Verteidigung muss Europa durch gemeinsame Projekte und höhere Verteidigungsausgaben eine eigene Sicherheitsarchitektur aufbauen. Ein europäisches Verteidigungsbündnis, das die NATO ergänzt, könnte Europas Souveränität stärken und auf Bedrohungen rasch und unabhängig reagieren.
In wirtschaftlichen Fragen fordert das Konzept der strategischen Autonomie, dass Europa seine Abhängigkeit von US-Technologiekonzernen hinterfragt (Stichwort: Chip Race) und eigene Kapazitäten in Schlüsselbereichen aufbaut. Oftmals scheitern solche Überlegungen allerdings an nationalstaatlichen Grenzen, etwa wenn zwischen europäischen Ländern ein ungesunder Wettbewerb um Subventionen für Investitionen in Schlüsseltechnologien eintritt.