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Schulden sind kein Schicksal

Lukas Sustala
Lukas Sustala

Im ersten Halbjahr wurden 6,4 Milliarden Euro neue Schulden gemacht, dennoch sind sich Bundeskanzler und Finanzminister öffentlich uneins, ob es ein Sparbudget braucht. Dabei hat Österreich große budgetäre Probleme, die an den Kapitalmärkten und bei Expert:innen längst aufgefallen sind. Eine Analyse von Lukas Sustala.

Der ehemalige Finanzminister Hannes Androsch sagt gerne „das Budget ist das Schicksalsbuch der Nation“. Was die Regierung und ihr Finanzminister mit dem Steuergeld anstellen, hat tatsächlich Auswirkungen auf ganz viele Lebensbereiche. Manche budgetäre Maßnahme ist strategisch wichtig und wirkt für eine lange Zeit: Ausgaben für ein effizientes, modernes Bildungssystem rechnen sich langfristig etwa über höhere Einkommen und niedrigere Arbeitslosigkeit. Andere Maßnahmen sind taktisch wichtig: Mitten in der Inflationskrise sind Förderungen mit der Gießkanne etwa kontraproduktiv, weil sie die Preise noch anfachen könnten.

Wenn Finanzminister Magnus Brunner Interviews gibt, dann betont er stets, sowohl Strategie als auch Taktik für das Budget zu haben. Gerade erst sagte er zu den neuesten Daten des Budgetvollzugs, der monatlich eine Wasserstandsmeldung für den Bundeshaushalt darstellt, dass es nun gelte, „zu stabilen Budgets zurückzukehren“: „Der Höhepunkt der Inflation ist nun seit über einem halben Jahr überschritten. Nun müssen wir an einer langfristigen und zukunftsorientierten Finanz- und Sozialpolitik arbeiten, […]. Mein Ziel daher: Langfristig stabile Budgets sicherstellen, um für künftige Krisen gerüstet zu sein.“ 

Nehammer vs. Brunner

Brunner spricht in Interviews von der Notwendigkeit eines Sparbudgets. Er hat recht: Österreich braucht smarte Sparideen, weniger Staatsausgaben, die die Inflation hoch halten, dafür Zukunftsinvestitionen, die den Standort stärken und Wohlstand langfristig sichern. Da fallen natürlich Wissenschaft und Bildung hinein. Wie das Budget zukunftsorientierter werden kann, haben wir in unserer Studie zur Zukunftsquote erarbeitet. Doch die Realität sieht anders aus: Im ersten Halbjahr machte der Bund 6,4 Milliarden Euro Defizit, den Einnahmen in Rekordhöhe von 45,9 Milliarden Euro (Jänner bis Juni 2023) stehen 52,3 Milliarden Euro an Ausgaben gegenüber. Stabil ist das nicht. Vor kurzer Zeit waren solche Defizite selbst für das Gesamtjahr hoch. 

Doch Brunner hat mit seinem Aufruf zu Stabilität keine Mehrheit in der Bundesregierung, geschweige denn der eigenen Partei: Denn der Bundeskanzler hat seinen Finanzminister längst zurückgepfiffen. Laut Nehammer wird es „kein Sparbudget geben“, denn „die Krisen sind noch nicht vorbei“, richtete er ihm im Sommerinterview mit der APA aus. Sparen brauche es nicht, sagt Nehammer, man habe die Erfahrung gemacht, „dass in die Krise hineininvestieren immer besser ist, um der Krise zu begegnen“. Hier wird nicht nur ein Konflikt in der Regierung, sondern auch eine Verkennung der Tatsachen offenbar. Wenn nun der Bundeskanzler der Republik behauptet, es habe sich bewährt, in die Krise hineinzuinvestieren, dann gilt das nur bedingt. In der Pandemie hat Österreich mit die höchsten Hilfen ausgezahlt und ist mit höheren Kaufkraftverlusten durch die Gesundheitskrise und die vielen Lockdowns geschlittert.

Österreich bei Staatsausgaben mit besonderer Dynamik

Ein rascher Blick zeigt zudem, dass zuletzt die Staatsausgaben in Österreich deutlich stärker gestiegen sind als anderswo. War Österreich 2013 noch auf Rang 8 in Europa, gemessen an den Staatsausgaben (ohne Zinsen), ist es jetzt schon auf Rang 4. Und das, während die Qualität zentraler staatlicher Leistungen zurückgeht, etwa im Bildungs- oder Gesundheitssystem.

Dass Österreich ein grassierendes Ausgabenproblem hat, zeigt sich auch bei den aktuellen Verhandlungen zum Finanzausgleich zwischen Bund, Ländern und Gemeinden. Schon der Verzicht auf zusätzliche Steuererhöhungen in Form der kalten Progression führt dazu, dass Länder und Gemeinden mehr Geld fordern. Auf allen Ebenen des Staates wird gesagt, dass Ausgaben wachsen müssen, weil Aufgaben zugenommen haben. Doch einen wirklich aufgabenorientierten Finanzausgleich gibt es erst gar nicht, sondern die Gießkanne namens Ertragsanteile. Ob die vielen Milliarden Euro in einen sinnvollen Ausbau der Elementarpädagogik fließen oder in teure, aber prestigeträchtige Doppelstrukturen im Spitalswesen, ist nicht gesagt. Strategie fehlt damit völlig, aber die Taktik ist klar.

Vor kurzem hat die Tageszeitung Die Presse unsere jüngste Standortanalyse aufgegriffen, die gezeigt hat: Gerade im Bereich Budget und Steuern ist Österreich ins Hintertreffen geraten. Die Kombination aus hoher Steuerlast und noch höherer Ausgabendynamik hat die Schulden trotz Nullzinsen steigen lassen. Andere Länder mit ausgebautem Wohlfahrtsstaat sind hingegen deutlich weniger mit der Gießkanne durch die Krise gekommen. Das aufsummierte Defizit Österreichs von 2020 bis 2023 dürfte laut jüngster Prognose der EU-Kommission bei 80 Milliarden Euro oder 17 Prozent des heurigen BIP liegen. Damit liegt die Neuverschuldung deutlich über dem EU-Schnitt, der von Südeuropa und Frankreich bestimmt ist. 

Wir verlieren an Reputation – und das wird teuer

In dieser Gemengelage erodiert auch das Vertrauen in die österreichische Reputation an den Kapitalmärkten, wie der Standard basierend auf einer Analyse des Lab berichtet hat. Österreichs Zinsaufschlag für zehnjährige Staatsanleihen im Vergleich zu Deutschland ist zuletzt von rund 20 auf 66 Basispunkte gestiegen, darauf hat zuletzt etwa die europäische Ratingagentur Scope hingewiesen. Ein Zinsaufschlag von etwas mehr als 60 Basispunkten klingt auf den ersten Blick nicht nach viel Geld. Doch eine einfache Vergleichsrechnung zeigt, dass die höheren Zinsaufschläge die öffentliche Hand stark einschränken werden, wenn sie nicht bald wieder gesenkt werden. Zinskostensteigerungen von 0,4 Prozentpunkten bedeuten beim aktuellen Schuldenstand von rund 360 Milliarden Euro langfristig Mehrkosten von 1,45 Milliarden Euro pro Jahr. Zum Vergleich: Das entspricht gut drei Viertel der 2023 budgetierten Ausgaben für den Bereich Justiz im Bundeshaushalt. Wir verlieren im Vergleich Reputation – und das kostet an den Kapitalmärkten Geld.

In den gängigen Standortindizes ist das übrigens auch schon bemerkbar. Zuletzt etwa im Index des Lausanner Instituts IMD. Dessen World Competitiveness Index sieht sich genau an, wie es um Budget- und Steuerpolitik steht. Und gerade hier ist Österreich abgerutscht. 

Umso wichtiger wäre es also heute, diese negative Dynamik zu brechen und tatsächlich mit Reformen zu starten. Denn finanzpolitische Stabilität braucht langfristige Strategie und kurzfristige Taktik. Reformen im Föderalismus oder bei den Pensionen müssen Spielräume schaffen, um Entlastung und Zukunftsinvestitionen zu ermöglichen. Denn das Schicksalsbuch Österreichs muss kein Kapitel zum Niedergang des Standorts oder zu mangelnden Investitionen in Bildung beinhalten. 

(Foto: iStock)

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