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Wenn das Gas nicht mehr fließt

Lukas Sustala
Lukas Sustala

Gestern noch abhängig von Putin, morgen in der Mangelwirtschaft? Österreich hat in den vergangenen Jahren stark auf russische Gas- und Ölimporte gesetzt. Was wäre, wenn auch Energieprodukte mit einem Embargo versehen werden? Warum es im Falle der Mangelwirtschaft nicht primär um die Haushalte geht, und gewaltige wirtschaftliche Kosten drohen. Von Lukas Sustala.

Photo by KWON JUNHO on Unsplash

Drei Wochen nach Beginn des russischen Angriffskriegs gegen die Ukraine ringt Europa um mehrere Reaktionen: Sanktionen (wie hier beschrieben) werden wohl weiter verschärft, die Ukraine wird mit Hilfs- und militärischen Gütern unterstützt und die Folgen der gestiegenen Energiepreise müssen abgefedert werden.

Österreich setzte auf die russische Karte

Es ist klar, dass Österreich vergleichsweise hart vom Inflationsschock getroffen ist. Denn russische Importe sind im europäischen Vergleich besonders wichtig für die Deckung des Energiebedarfs. Österreich importiert mehr Gas als die meisten anderen Volkswirtschaften in Europa, und in Österreich anders als in westlichen oder südlichen Ländern Europas stammen auch noch 80 Prozent davon sind aus Russland. Dass die OMV auch gerne mal mit dem Spitznamen „Gazprom West“ bedacht wurde, kam nicht von ungefähr.

Und die Importe Österreich von russischem Gas und Öl sind in der jüngeren Vergangenenheit zudem stark gestiegen. Das legen die jüngsten Zahlen zu den österreichischen Verflechtungen im Außenhandel nahe, die diese Woche von der Statistik Austria präsentiert wurden. 2020 und 2021 sind die mengen- und wertmäßigen Importe von Gas und Öl aus Russland deutlich gestiegen. 

Wie wirkt nun die aktuelle Situation auf die österreichische Wirtschaft? Es gibt zuallererst einen massiven externen Preisschock (siehe auch den Blog: Nach der Invasion die Inflation). Stark gestiegene Öl-, Gas- und Strompreise verteuern die Produktionskosten der in Österreich ansässigen Unternehmen und der in Österreich lebenden Konsument_innen. Wenn man die russischen Importe aus 2021 hochrechnet auf das heurige Jahr, dann würden die heutigen Preise zu Mehrkosten von mehreren Milliarden Euro führen. Denn die Preise für Erdöl und Erdgas sind heute massiv höher als noch 2021. 

Unterschiedliche Sektoren von teureren fossilen Energieträgern betroffen

Um die Frage, ob Österreich "durch den nächsten Winter" kommt, geht es dabei nur zum Teil. Denn bei dieser Frage wird unterstellt, dass es ausschließlich um die Haushalte und das Heizen mit Gas geht. Aber je nach Bundesland geht es in Wirklichkeit beim Gas-Verbrauch in Österreich 1. auch stark um die Industrie und 2. um zB die Stromproduktion. Das zeigt etwa ein Vergleich der regionalen Energiebilanzen in Österreich, zur Illustration sei hier nur einmal Oberösterreich und Wien dargestellt, in denen am meisten Gas importiert wurde. 

Wegen des hohen Gaspreises hat mit Norsge Skog auch schon ein Betrieb der Papierindustrie, die besonders energieintensiv ist, angekündigt, ein Werk in Österreich vorübergehend zu schließen (Steiermark.orf.at). Die hohen Preise würden einen wirtschaftlichen Betrieb nicht mehr möglich machen. 

Damit zeigt sich auch schnell, dass die Maßnahmen gegen den Teuerungsschub nicht so einfach zu gestalten sind: Denn betroffen von steigenden Preisen sind eben nicht nur Haushalte, die man zB über Entlastungen oder Subventionen unterstützen könnte, um ihren Bedarf zu decken. Sondern eben auch Unternehmen, die für Produktionsprozesse nicht so ohne weiteres auf andere Energieträger umsteigen können. 

Und überhaupt gilt es, zwei Effekte auseinander zu halten: 

  1. Was steigende Preise mit der Wirtschaft machen
  2. Was weniger Gas mit der Wirtschaft macht

Im 1. Fall werden die hohen Kosten Haushalte mit geringen Einkommen und alten, ineffizienten, fossilen Heizsystemen besonders treffen sowie jene energieintensiven Unternehmen, für die Gas oder Strom essenzieller, wichtiger Inputfaktor ist. 

Im 2. Fall aber kommt die Rationierung auf uns zu, eine Mangelwirtschaft, in der nicht der Preis darüber entscheidet, wer an welches Gut kommt, sondern zB eine staatliche Kommission. 

„Gewaltige wirtschaftliche Kosten“, wenn das Gas-Angebot nicht mehr reicht

Die Ökonomin Monika Köppl, Direktorin des Wirtschaftsforschungsinstituts Eco Austria, sagt dazu im Lab-Talk vom 3. März: „Das allerschlimmste Szenario ist natürlich, dass es zu einem Gasstopp kommt. Einerseits würde das noch höhere Preise bedeuten, andererseits kann es tatsächlich zu einer derartigen Angebotsverknappung kommen, dass es sich einfach nicht mehr ausgeht.“ In einem solchen Fall greift das Energielenkungsgesetz, „dann ist eben die Klimaministerin zuständig dafür, dass erarbeitet wird, wer bekommt prioritär Gas, welche Produktion muss abgedreht werden. Um diesen Job beneide ich sie nicht, je nachdem wie die Entscheidung getroffen wird, wird es trotzdem am Ende  gewaltige wirtschaftliche Kosten bedeuten.“ 

Die Gefahr einer neuerlichen Rezession ist real (wie im Corona-Jahr 2020, von dem sich Österreich im internationalen Vergleich recht langsam erholt hat). Bei einem Gas-Import-Stopp haben deutsche Volkswirte für die Bundesrepublik einen merklichen Einbruch der Wirtschaft simuliert, im Fall eines wirklichen Embargo von bis zu drei Prozent: „In the short run, a stop of Russian energy imports would lead to a GDP decline in range between 0.5% and 3% (cf. the GDP decline in 2020 during the pandemic was 4.5%).“ (vgl. Bachmann et al., 2022) In Österreich dürften die Zahlen bei einem wirklichen Importstopp ähnlich hoch sein. 

Kurzfristige Handlungsoptionen

Die deutsche wissenschaftliche Vereinigung Leopoldina hat sich etwa in einer aktuellen Stellungnahme eine Reihe von Sofortmaßnahmen angesehen, die passieren müssen, um die Folgen stark steigender Preise (und stark sinkenden Angebots) abzufedern:

  • Sofortmaßnahmen (kommende Wochen und Monate)
    • Beschaffung von Flüssiggas auf dem Weltmarkt durch die EU, auch durch Verhandlungen mit Staaten wie Japan, USA und Südkorea
    • Stärkere staatliche Regulierung von Struktur und Nutzung der privatwirtschaftlich betriebenen Übertragungsinfrastrukturen einleiten
    • Ersatz von Gas durch Kohle im Stromsektor und Beschaffung der hierfür nötigen Kohlemengen
    • Unmittelbarer Beginn der Einsparungen beim Gas und des Auffüllens der Speicher als Puffer für den Winter
    • EU-weit koordiniert agieren
    • Kompatibilität der Notfallmaßnahmen mit bestehenden Marktmechanismen sicherstellen
    • Belastungen der Bürgerinnen und Bürger mit niedrigen und mittleren Einkommen sozial abfedern und Unternehmen von Energiesteuern entlasten

Auch das Wirtschaftsforschungsinstitut WIFO hat sich in einer aktuellen Stellungnahme mit den Folgen beschäftigt, nämlich mit dem letzten Bulletpoint der Empfehlungen der Leopoldina: Wie sollen Bürger und Unternehmen entlastet werden? Dabei zeigt sich, dass die Ökonomen des WIFO nicht dafür sind, die CO2-Bepreisung auszusetzen oder mit der Gießkanne Steuern zu kappen, sondern treffsicher jene Haushalte und Unternehmen zu unterstützen, die besonders von den gestiegenen Preisen betroffen sind. Erhöhungen von Pendlerpauschale oder Reduktion der Mineralölsteuer werden negativ gesehen. WIFO-Chef Gabriel Felbermayr hat hier einiges zusammengefasst. 

Aber auch hier gilt: Eine wirkliche Angebotsverknappung würde die Situation akut noch verschärfen. Dann geht es nämlich um den akuten Schutz von hunderten Betrieben und tausenden Mitarbeitern. Der Staat müsste dann der Mangelwirtschaft nicht nur mit Steuermitteln entgegentreten, sondern Lösungen für das zugrundeliegende Problem unterstützen: Dass wir Energie brauchen, um zu produzieren, zu beschäftigen und Wohlstand zu schaffen. 

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