Eine Broschüre von Clemens Ableidinger
Die Lehre zwischen sozialem Aufstieg und gesellschaftlichem Niedergang: Die Anzahl der jungen Menschen, die eine Lehre beginnen, sinkt kontinuierlich, und auch der Anteil der Lehre an allen Ausbildungsformen nimmt zulasten von Matura und Studium ab. Die Lehre hat ein Imageproblem – dabei trägt sie dazu bei, dass viele Menschen rasch eine berufliche Perspektive bekommen.
Die Studie im Überblick
Wie kann man die Lehre aufwerten? Es braucht eine signifikante Reform, die eine deutliche Qualitätssteigerung bringt. Eine aufgewertete Lehre wird auch für Maturant:innen interessanter und schafft mehr Chancen für den Berufseinstieg, für erfolgreiche Gründungen und den Aufstieg innerhalb eines Unternehmens.
Die beste Bildung beginnt mit den besten Lehrer:innen - und in der Lehre ist das nicht anders. Bei der Einstellung von Berufsschullehrer:innen muss es mehr Möglichkeiten geben, das Gehalt der Berufserfahrung anzupassen, um den Beruf für Personen mit viel Vorerfahrung attraktiver zu machen. Die Ausbildung der Lehrausbilder:innen muss überarbeitet und an die aktuellen Anforderungen angepasst werden. Für diese Gruppe braucht es mehr Weiterbildungsangebote. Dafür sollte auch die Förderlandschaft für Lehrbetriebe generalüberholt werden. Neben einer Zentralisierung der Förderungen im Sinne eines One-Stop-Shops muss Qualität in der Lehrausbildung stärker belohnt werden.
Die duale Ausbildung in Österreich hat ein tolles Image - und gleichzeitig ein Imageproblem. Das "tolle Image" haben die Lehre und das System der betrieblichen Ausbildung bei Unternehmen, Politiker:innen und Expert:innen. Bei Jugendlichen und deren Eltern hat die Lehre in Österreich allerdings ein zunehmendes Imageproblem.
Die Anzahl der jungen Menschen, die eine Lehre beginnen, sinkt kontinuierlich, und auch der Anteil der Lehre an allen Ausbildungsformen nimmt zulasten von Matura und Studium ab. Die Lehrlingsandrangsziffer, also die Zahl der jungen Menschen, die eine Lehrstelle suchen, hat sich in den vergangenen Jahren massiv gedreht. Betriebe bieten im Vergleich zu den Lehrstellensuchenden immer mehr Lehrstellen an, die sie nicht besetzen können.
Zahlen & Fakten
0,75
Lehrstellensuchende kommen in Österreich auf eine offene Lehrstelle
5%
aller Lehrlinge machen derzeit nebenbei die Matura
10,9%
die Arbeitslosenrate bei 15- bis 24-Jährigen 2022 in Österreich
7 Chancen für die Lehre
Mehr Wert
Die Lehre muss bildungspolitisch aufgewertet werden. Dazu braucht es eine signifikante Reform, die Lehrinhalte, Lehrpersonen und Lehrabschlüsse aufwertet. Bei Lehrinhalten muss in eine deutliche Qualitätssteigerung investiert werden.
Mehr Flexibilität
Karrierewege flexibler gestalten und die Lehre anschlussfähiger machen: Dafür braucht es auch Reformen bei der Anrechenbarkeit von vorhandenen Bildungsabschlüssen. Verkürzte Ausbildungsdauern bei entsprechender Vorbildung sollten ebenso eingeführt werden wie ein stärkerer Fokus auf eine "modulare" Lehre.
Mehr Geld
Es braucht höhere Anreize für Lehrlinge und Betriebe. Die Lehre als flexiblere Option mit und ohne Matura muss nicht nur Vordienstzeiten berücksichtigen. Dazu könnte ein Lehrlingsstipendium gehören, das die Lehre für junge Menschen mit Matura oder einem anderen Abschluss finanziell attraktiver macht.
Mehr Qualität
Es braucht mehr Möglichkeiten, das Gehalt von Berufsschullehrenden bei ihrer Einstellung ihrer Berufserfahrung anzupassen. Die pädagogische Ausbildung soll nicht zu kurz kommen, Fachkräfte mit Quereinstiegsambitionen aber nicht abschrecken. Die Ausbildung der Lehrausbilder:innen muss an aktuelle Anforderungen angepasst werden, zudem braucht es mehr Weiterbildungsangebote.
Mehr Perspektive
Ein gezieltes Weiterbildungsangebot für Personen mit Lehrabschluss sowie zielgerichtete Fachhochschulangebote im technischen Bereich könnten die Ziele des lebenslangen Lernens unterstützen. Insbesondere im MINT-Bereich geht es dabei mittel- und langfristig auch um Erhalt und Aufbau von Kompetenzen und Fachkräften.
Mehr Strategie
Die Lehre braucht eine Stimme in der Politik. Vielen jungen Menschen im Land sind die Vorteile dieses Bildungswegs nicht klar – viel zu oft wird der akademische Weg als chancenreicher und erfolgversprechender dargestellt. Dabei hat gerade die Lehre das Zeug dazu, jede und jeden in eine echte "Pole Position" zu befördern.
Mehr Ansehen
In der Lehre finden sich leider immer wieder verstaubte Rollenbilder, und es fehlt oft an Motivation, in die MINT-Bereiche zu gehen. MINT-Mentoring-Angebote für Mädchen sollen auf alle Schulen ausgeweitet werden. Am Ende sollten Politik und Sozialpartner auch die Kommunikation über die Lehre neu starten.