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Demokratie: nicht nur lernen, sondern auch leben

Erstmals gibt es in den Wiener Volksschulen mehr Muslime als Katholiken oder Konfessionslose. Ein Skandal ist das nicht, aber ein Auftrag, über Demokratieerziehung nachzudenken. 

In den letzten Tagen gingen die Wogen hoch: Wie eine Auswertung der Stadt Wien zeigt, sind 35 Prozent der Kinder an öffentlichen Wiener Volksschulen Muslime und stellen damit die größte Gruppe aller Konfessionen dar. Konfessionslose (26 %) und Katholiken (21 %) sind die zweit- und drittgrößte Gruppe. Die Kontroversen um diese Zahlen gingen in verschiedene Richtungen. Während die einen den zahlenmäßigen Rückzug derjenigen beklagten, die sich zu christlichen Kirchen bekennen, sorgten sich die anderen um den steigenden Anteil an Kindern mit Migrationshintergrund, auf den der hohe Anteil an Muslimen zurückzuführen ist. Man sollte es aber nicht bei der Interpretation der Daten belassen. Wichtiger ist die Frage: Wie soll die Schule mit diesen Tatsachen umgehen?

Österreich war immer ein Einwanderungsland, auch wenn sich seit dem 20. Jahrhundert die Herkünfte der Migrant:innen verändert haben. Trotzdem tut die Politik gerne so, als ob wir erst seit letzter Woche mit Einwanderung aus muslimischen Ländern zu tun hätten, und hat kaum Maßnahmen gesetzt, die als planvolle Gestaltung von Integrationsmaßnahmen bezeichnet werden könnten. Ein Schulfach „Politische Bildung“, wäre im Sinne einer staatsbürgerlichen Erziehung ein gutes Mittel zur Förderung von Integration in das österreichische Gemeinwesen gewesen, wurde aber in der Vergangenheit nicht flächendeckend eingeführt. Das rächt sich. Die Ironie der Geschichte ist, dass die Einführung der politischen Bildung an allen Schulen von jenen bekämpft wurde, die heute das Fehlen von Integrationsmaßnahmen beklagen. Doch wie müsste die Demokratieerziehung eigentlich aussehen, um tatsächlich einen Beitrag leisten zu können?

Wissensvermittlung alleine reicht nicht

Das Gefühl der Verbundenheit mit der Demokratie sollte auch durch die Schule erfolgen, so sieht es das Schulunterrichtsgesetz vor. Dem Gesetz zufolge sollen die Schülerinnen und Schüler nicht nur zu „pflichttreuen und verantwortungsbewussten Gliedern der Gesellschaft […] herangebildet werden“, sie sollen auch dazu herangezogen werden, „in Freiheits- und Friedensliebe an den gemeinsamen Aufgaben der Menschheit mitzuwirken“.

Fest steht: Das Vermitteln von Wissen wird nicht genügen, um die Schülerinnen und Schüler zu überzeugten Demokrat:innen zu machen. Um sich der Demokratie verbunden zu fühlen, muss diese gelebt werden, und das auch schon in der Schule. Das erfordert unter anderem, dass Schulen ihre Schulgemeinschaft bewusst gestalten, damit sich die Schüler:innen unabhängig ihrer Herkunft als Teil der Schule empfinden können. In vielen Privatschulen wird diese Verbundenheit auch über die tatsächliche Schullaufbahn hinaus in Absolvent:innenvereinen gepflegt. Eine entwickelte schulische Autonomie würde auch öffentlichen Schulen mehr Spielraum in der Gestaltung der Schulgemeinschaft geben. Die Identifikation ist jedoch nur eine Vorbedingung.

Demokratie nicht nur lernen, sondern auch leben 

Inhaltliche Kenntnisse über die Demokratie, parlamentarische Abläufe und Möglichkeiten, sich politisch zu artikulieren, sind jedenfalls in Form eines Schulfachs zu vermitteln. Doch gerade an Schulen selbst haben Schüler:innen oft wenig Gelegenheit mitzubestimmen. Es wäre sinnvoll, die Schüler:innenvertretung stärker in die Gestaltung der Schule als Lern- und Lebensort einzubeziehen. So können Schülerinnen und Schüler durch das Wählen ihrer Vertretung ihr eigenes Lebensumfeld mitgestalten. Andere Länder machen es vor: In Finnland ist es beispielsweise für Schülervertreter:innen möglich, an Vorstellungsgesprächen der zukünftigen Lehrer:innen teilzunehmen und über deren Einstellung mitzuentscheiden. 

Zusammenfassung

Drei Aspekte müsste man daher in den Blick nehmen, um die Demokratie in der Schule nicht nur zu lehren, sondern lebbar zu machen:

  1. In einem Schulfach „Leben in der Demokratie“ Wissen und Kenntnisse über das österreichische politische System und Österreichs Gemeinwesen vermitteln
  2. Die Beteiligungsmöglichkeiten der Schüler:innen in den Schulen erhöhen
  3. Die Schulgemeinschaft auch in öffentlichen Schulen bewusster gestalten, damit alle Schüler:innen sich als ein Teil davon empfinden können

Was sich Österreich noch von anderen Ländern abschauen könnte und wie Demokratiebildung auch an Österreichs Schulen gelingen könnte, lest ihr im NEOS Lab Policy Brief zum Thema.

(Bild: Rawpixel/iStock)

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