Ein Policy Brief von Clemens Ableidinger
Die Aufgaben der Schule gehen über reine Wissensvermittlung hinaus. Das Schulorganisationsgesetz sieht vor, dass Schüler:innen zu verantwortungsbewussten Bürger:innen der Republik Österreich herangebildet werden. Im Policy Brief wird erläutert, wie das besser gelingen kann.
Die Studie im Überblick
Die gesellschaftliche Polarisierung macht vor der Schule nicht halt. Auch unter jungen Menschen sind die verschiedensten Weltanschauungen und sozialen sowie politischen Prägungen verbreitet.
Der Antisemitismus ist eines von mehreren problematischen Phänomenen der heutigen Zeit. Verstärkt haben sich die Herausforderungen an die Demokratie im Allgemeinen. Zwar gab es immer einen Teil der Gesellschaft, der für autoritäre Tendenzen empfänglich war, undenkbar war jedoch, dass Spitzenpolitiker die Institutionen der liberalen Demokratie oder die Menschenrechte angriffen oder in Zweifel zogen. Das hat sich in den letzten Jahren leider geändert, wie das Beispiel des ehemaligen Präsidenten der Vereinigten Staaten, Donald Trump, zeigt.
Diese Herausforderungen an die Demokratie können nicht mit einer vereinzelten Maßnahme gelöst werden. Und die Demokratie kann auch nicht nur an einer Front verteidigt werden. Zweifellos kommt jedoch der Schule bzw. den Bildungseinrichtungen eine besondere gesellschaftliche Rolle zu, die über das Vermitteln von Wissen hinausgeht. In einem Staat, in dem eine Unterrichtspflicht besteht, und in welchem die meisten Menschen mehrere Jahre in Bildungseinrichtungen mit öffentlichem Recht verbringen, hat das dort Erlebte und Erlernte eine existenzielle Bedeutung für das Gemeinwesen.
(Mehr dazu liest du im Policy Brief ab Seite 1.)
Die Erziehung zur Mündigkeit, bzw. zum selbstständigen Denken soll gemäß Schulorganisationsgesetz (SchOG) in Auseinandersetzung mit der Gesellschaft stattfinden.
Tatsächlich geht es in der Bildung immer auch um Werte und nie nur um Kenntnisse allein. Diese sind jedoch abhängig vom jeweiligen politischen System und weiterer kultureller Rahmenbedingungen. Kein Schulsystem kommt somit ohne ein Plädoyer an Werte und eine Verpflichtung auf das Gemeinwesen aus.
(Mehr über die Aufgaben der Schule in einer liberalen Demokratie liest du im Policy Brief ab Seite 3.)
Unterrichtsfach „Leben in der Demokratie“
Ein Unterrichtsgegenstand, der sich der staatsbürgerlichen Bildung bzw. dem Leben in einer Demokratie widmet, ist alles andere als abwegig. In vielen demokratischen Staaten ist ein solches Fach ein verpflichtender Teil der nationalen Lehrpläne. Ein Unterrichtsfach allein ist jedoch keine ausreichende Maßnahme zur demokratischen Erziehung. „Politische Bildung“ sollte zum „Schulprinzip“ erhoben werden, um demokratische Mitbestimmung und Diskussion zu einem Teil der Schulgemeinschaft zu machen.
Demokratisierung der Schulen
Schule besteht nicht nur aus Lehrplänen, sondern aus von den Schüler:innen als akzeptiert erlebten Werten und den Personen, die sie vorleben. Demokratiebildung endet daher nicht in den Klassenzimmern, sondern umfasst auch die Binnenorganisation sowie das emotionale Klima der einzelnen Schulen selbst. Eine Stärkung der Schüler:innenvertretung und deren stärkeres Einbeziehen in die Gestaltung der Schule als Lern- und Lebensort ist sinnvoll, um das Handlungsfeld der Schüler:innen und deren Identifikation mit der Schule zu stärken.
Schulgemeinschaften stärken
Eine umfassende Schulautonomie würde den einzelnen Schulen größere Handlungsmöglichkeiten in der Gestaltung der eigenen Schulgemeinschaft eröffnen und dadurch die Identifikation mit der eigenen Schule stärken. Freiheit wird damit zur Vorbedingung für Gemeinschaft.
Schulische Diversität bewusst gestalten
Österreich war nie nur deutschsprachig und nie nur katholisch. Der Wahlspruch aus Kaisers Zeiten „Viribus unitis“, also „mit vereinten Kräften“, verweist auf das theoretisch vorhandene Potenzial, das in dieser Vielfalt schlummert. Dieses muss jedoch durch Förderung, Forderung und entsprechendes Management bewusst gestaltet werden.
Eltern stärker einbeziehen
Ein konflikthaftes Verhältnis zwischen Schule und Eltern – egal ob auf persönlicher oder inhaltlicher Ebene bzw. hinsichtlich der vermittelten Werte – wirkt sich negativ auf den Bildungserfolg der Kinder aus. Ziel der Schulleitungen muss es sein, die Eltern als Bildungspartner in den Bildungsprozess einzubeziehen und eine Beziehung zwischen Lehrer:innen und Eltern aufzubauen. Das wirkt sich nachweislich positiv auf den Lernerfolg der Kinder aus.
Time-out-Klassen einführen
Es braucht Instrumente der Deeskalation, die Mitschüler:innen und Lehrer:innen schützen und einen geeigneten Umgang mit potenziellen Gefährder:innen ermöglicht. „Time-out-Klassen“ sind eigene Klassen, in denen – begleitet von Therapeut:innen und Sozialarbeiter:innen – mit radikalisierten oder verhaltensauffälligen Schüler:innen gearbeitet werden soll. Ziel ist nicht nur der Schutz anderer Schüler:innen, sondern eine Entschärfung der Situation.
(Die vollständige Auflistung der empfohlenen Maßnahmen findest du im Policy Brief ab Seite 10.)
Zahlen und Fakten
56 % aller Jungen
fühlen sich im Parlament wenig oder gar nicht vertreten (2023)
45 % der Befragten
finden es sehr sinnvoll, dass die Schule den Kindern „mehr demokratische Werte und Toleranz“ vermittelt (Umfrage „Der Standard“)
20 Kompetenzen
enthält ein Kompetenzmodell für den politischen Unterricht, das ein internationales Expert:innenteam entwickelte