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Ein Land in der Rezession

Lukas Sustala
Lukas Sustala

Österreichs Wirtschaft befindet sich seit neun Quartalen in Rezession. Was das bedeutet und warum Reformen den Weg aus der Krise und der hohen Verschuldung ebnen.

Die österreichische Wirtschaft befindet sich seit mehreren Quartalen in einer anhaltenden Krise. Das Bruttoinlandsprodukt (BIP) wird laut den Prognosen von WIFO und IHS für 2024 wieder zurückgehen. Es ist die längste Rezession der Nachkriegszeit (Handelsblatt). Technisch gesehen nennen Ökonomen eine Phase Rezession, wenn die Wirtschaftsleistung in zwei Quartalen hintereinander schrumpft. Österreich hat zwei Quartale Schrumpfung schon lange hinter sich.

Obwohl 2025 ein moderates Wachstum von 0,8 Prozent erwartet wird, fällt Österreich im Vergleich zu anderen europäischen Ländern zunehmend zurück (IHS). Welche Faktoren sind dafür verantwortlich, und welche Herausforderungen stehen bevor? 

Stagnation der Industriekonjunktur und Bauwirtschaft 

Ein zentrales Problem der österreichischen Wirtschaft ist die anhaltende Schwäche in der Industrie und im Baugewerbe. Diese Branchen befinden sich aus unterschiedlichen Gründen seit mehreren Quartalen in einer Rezession, und eine Erholung ist in naher Zukunft nicht in Sicht. Besonders die Bauinvestitionen verzeichnen dramatische Rückgänge: Nach einem Einbruch von 9,3 Prozent im Jahr 2023 wird auch für 2024 ein Rückgang von 4 Prozent prognostiziert. 

Die Industrie leidet unter der schwachen Exportnachfrage, vor allem aus dem Euroraum, aber vor allem auch an steigenden Kosten. Österreich hat im Vergleich zu anderen europäischen Ländern höhere Lohn- und Energiekosten, was die Wettbewerbsfähigkeit der heimischen Unternehmen beeinträchtigt. Infolgedessen wird erwartet, dass die Warenexporte 2024 um 4,8 Prozent zurückgehen. Nirgends sonst in Europa sind die eigenen Aussichten auf die Wettbewerbsfähigkeit negativer als in Österreich. Hier braucht es wirklich mehr Zuversicht.

Konsumschwäche trotz Realeinkommenszuwächsen 

Ein weiterer wichtiger Faktor für die wirtschaftliche Stagnation ist der private Konsum. Obwohl die Realeinkommen der Österreicherinnen und Österreicher aufgrund der nachlassenden Inflation steigen, spiegelt sich dies nicht in einer gesteigerten Konsumnachfrage wider. Im Gegenteil, zuletzt sank der private Konsum sogar. Die Gründe hierfür liegen im mangelnden Verbrauchervertrauen, das dazu führt, dass die Menschen das Geld lieber sparen als ausgeben. Für das Gesamtjahr 2024 wird ein Anstieg der Sparquote auf 10,1 Prozent erwartet, was bedeutet, dass die Haushalte trotz steigender Einkommen vorsichtig bleiben und vermehrt sparen statt konsumieren. Auch das zeigt sich in aktuellen Umfragen zur Wirtschaftslage deutlich: Ein großer Teil der Bevölkerung ist immer noch sehr negativ eingestellt, was die allgemeine Wirtschaftslage betrifft und hält Sparen für sinnvoll (https://www.oenb.at/isawebstat/stabfrage/createReport?lang=DE&report=7.15).

Arbeitslosigkeit und schwacher Arbeitsmarkt

Die schwache Konjunktur wirkt sich nun aber auch auf den Arbeitsmarkt aus. Zwar bleibt die Beschäftigung stabil, jedoch steigt die Arbeitslosenquote kontinuierlich an. Für die Jahre 2024/2025 wird ein Anstieg der Arbeitslosenquote auf 7,2 Prozent erwartet. Besonders die Bauwirtschaft, der Handel und die Industrie verzeichnen hohe Jobverluste. Dies wird nur teilweise durch die Nachfrage nach Arbeitskräften im öffentlichen Sektor kompensiert. Gleichzeitig aber hält der Arbeitskräftemangel viele Betriebe auf Trab.

Öffentliche Finanzen unter Druck 

Die Rezession belastet auch das Budget und die öffentlichen Finanzen. Durch den Rückgang der Konsumnachfrage und die Schwäche der Industrie fließen weniger Steuereinnahmen, gleichzeitig steigen die Ausgaben, insbesondere im Bereich Arbeitslosenversicherung. Das IHS prognostiziert für 2024 ein gesamtstaatliches Defizit von 3,5 Prozent des BIP. Das WIFO rechnet für 2025 bereits mit 4 Prozent. Ohne Konsolidierungsmaßnahmen wird sich das Budget nicht sanieren lassen. Über die Baustelle Budget haben wir bereits hier berichtet.

Die Baustelle ernst zu nehmen, ist auch in der aktuellen Konjunkturlage doppelt wichtig. Denn die fehlende Zuversicht bei Unternehmen und Konsument:innen wird gerade auch von der zukunftsvergessenen Politik verursacht. Dass Reformen der einzige Ausweg aus der Verschuldung sind, haben zuletzt auch Wirtschaftsforscher von WIFO, KdZ und Fiskalrat eingemahnt.

Hohe Löhne und Inflationsdruck 

Ein weiteres Dilemma ist die Entwicklung der Löhne und Preise. Während die Inflation in Österreich sinkt und 2024 voraussichtlich noch bei 3 Prozent liegt, ist die Lohnentwicklung dynamisch. Besonders im Dienstleistungssektor sind die Löhne weiterhin stark gestiegen, was die Inflation in diesem Bereich trotz eines allgemeinen Rückgangs auf einem relativ hohen Niveau hält. Dies führt zu einer paradoxen Situation: Einerseits steigen die Realeinkommen, andererseits bleibt deswegen der Preisdruck in bestimmten Bereichen bestehen, was das wirtschaftliche Wachstum hemmt.

Internationale Faktoren und geopolitische Risiken

Die schwache internationale Konjunktur beeinflusst Österreich zusätzlich negativ. Besonders die deutsche Wirtschaft, Österreichs wichtigster Handelspartner, zeigt nur geringe Wirtschaftsdynamik. Auch im Euroraum insgesamt ist das Wachstum schwach, während die Unsicherheiten in geopolitischen Krisenregionen und Handelskonflikten, etwa mit China, weiter zunehmen. Das wird der IWF diese Woche auch warnen. 

Ein schwieriger Weg aus der Krise 

Die Prognosen zeichnen ein düsteres Bild für die österreichische Wirtschaft. Das Problem der fehlenden Standortpolitik fällt der Wirtschaft nun auf die Füße. Wenn wir 2025 und später wirklich von einer „Erholung“ sprechen wollen, sind strukturelle Reformen dringend nötig, die sowohl die internationale Wettbewerbsfähigkeit erhöhen als auch das Wirtschaftswachstum. Ohne einen wirklichen Reformimpuls wird sich die wirtschaftliche Situation Österreichs aber kaum verbessern.

(Bild: Firefly AI)

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