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Gemeinden investierten wenig in Nachhaltigkeit und Bildung

Auf dem Papier wurden mit der Gemeindemilliarde viele ökologische Maßnahmen finanziert. Eine Lab-Analyse zeigt allerdings, dass die offiziellen Zahlen des Finanzministeriums kritisch zu hinterfragen sind.

Von Günther Oswald

Photo by Mathieu Stern on Unsplash.

Mit der Gemeindemilliarde wurde zu Beginn der Pandemie vom Finanzministerium ein Förderinstrument aufgelegt, mit dem sichergestellt werden sollte, dass durch den drastischen Rückgang der Ertragsanteile nicht auch die Gemeindeinvestitionen einbrechen. Jetzt, gut zwei Jahre nach Beschluss des entsprechenden Gesetzes, wurde der Großteil des Geldes von den Ländern abgerufen (869,4 Millionen Euro).

Eine Auswertung des Neos Lab zeigt allerdings, dass nur ein vergleichsweise kleiner Teil der Mittel für eindeutig zukunftsgerichtete Investitionen (Nachhaltigkeit, Bildung) ausgegeben wurde und der allergrößte Teil in die Aufrechterhaltung oder Erweiterung von klassischer kommunaler Kerninfrastruktur geflossen ist. Regional gibt es zudem beträchtliche Unterschiede.

Besonders deutlich zeigt sich das am Beispiel des Bildungssektors. Für die Analyse wurden die Investitionen für Kindertageseinrichtungen und Schulen sowie für Kinderbetreuungsplätze in den Sommerferien zusammengefasst. In Vorarlberg wurde gemäß den Daten des Finanzministeriums mehr als die Hälfte der gewährten Zuschüsse für Bildungsprojekte ausgegeben. Auch in Wien (31,6 Prozent) und in Salzburg (36 Prozent) wurde deutlich überdurchschnittlich viel in diesen Bereichen investiert.

Am anderen Ende dieser Skala liegen das Burgenland, Kärnten und Niederösterreich. In diesen drei Bundesländern wurde von den Gemeinden der geringste Teil der Zuschüsse für Bildung ausgegeben. Aber auch die Gemeinden in der Steiermark, in Oberösterreich und in Tirol haben weniger als 30 Prozent der Förderungen für Betreuungsangebote ausgegeben.

Gleichzeitig gibt es in Österreich weiterhin erhebliche Defizite bei der Kleinkindbetreuung. Nur in Wien liegt die Betreuungsquote der 0- bis 2-Jährigen bei über 40 Prozent (vgl. Policy Brief: Warum der Kindergarten das Sprungbett in eine moderne Gesellschaft ist! Link fehlt noch). Im EU-Vergleich sind nur sieben Länder schlechter bei der frühkindlichen Betreuung. Es hätte also durchaus Sinn gemacht, wenn noch mehr Gemeinden bei ihren Investitionen einen stärkeren Fokus auf Betreuung und Bildung gelegt hätten.

Für klassische Kerninfrastruktur wurde hingegen im Burgenland, Niederösterreich, der Steiermark und Oberösterreich mehr als 50 Prozent der Zuschüsse ausgegeben. In dieser Kategorie wurden für die Analyse Investitionen zur Sanierung von Gemeindestraßen, moderne Straßenbeleuchtung, Wasserversorgung und Abwasserentsorgung, Gebäude sowie Ortskernattraktivierung zusammengefasst. Mit Stand Mai finden sich allein knapp 100 Sanierungen oder Errichtungen von Feuerwehrhäusern in der Datenbank des Finanzressorts.

Nachhaltige Investitionen im engeren Sinn spielten hingegen kaum eine Rolle. Für die Lab-Analyse wurden für diese Kategorie Projekte in den Bereichen öffentlicher Verkehr, Rad- und Fußwege, Ladestationen für E-Mobilität, erneuerbare Energieträger und Kreislaufwirtschaft zusammengefasst. Nur in der Bundeshauptstadt waren derartige Investitionen signifikant – hier flossen knapp 19 Prozent der Fördermittel in diese Bereiche. In allen anderen Bundesländern waren es lediglich fünf bis zehn Prozent der Mittel. Die Nachhaltigkeitsinvestitionen waren in mehreren Bundesländern sogar geringer als jene zur Sanierung oder Erhaltung von Freizeitanlagen (in der Datenbank finden sich allein 120 Investitionen in Sportanlagen).

Es zeigt sich also, dass der vermeintliche „Öko-Schwerpunkt“ der Gemeindemilliarde durchaus kritisch zu hinterfragen ist. Ziel des Gesetzes war und ist es nämlich, mindestens 20 Prozent der Mittel für ökologische Maßnahmen zu verwenden.

Das Finanzministerium verbucht aber nicht nur die Ausgaben für öffentliche Verkehrsmittel, Radwege, erneuerbare Energieerzeugung oder Elektromobilität als „ökologische Investitionen“, sondern pauschal auch jede Investition in Wasserversorgungs- und Abwasserentsorgungseinrichtungen oder auch moderne Straßenbeleuchtung.

Nun können solche Investitionen natürlich auch sinnvoll und wichtig sein, verzerren das Bild aber doch gehörig. Im Burgenland, in Niederösterreich, Tirol und Vorarlberg machen die Ausgaben für Wasser/Abwasser immerhin rund die Hälfte aller „ökologischen Investitionen“ aus. Das führt letztlich auch dazu, dass die 20-Prozent-Marke in allen Bundesländern überschritten wird, mitunter sogar deutlich.

Geld wird liegengelassen

Alle Regionen sind auch nicht gleich erfolgreich beim Ausschöpfen des Fördertopfes. Bisher hat nur Wien die gesamten Fördermittel abgerufen, in den meisten anderen Ländern haben die Gemeinden zwischen 80 und 90 Prozent der Maximalsumme ausgeschöpft.

In der Steiermark (67,3 Prozent Ausschöpfungsgrad) und in Tirol (77,4 Prozent Ausschöpfungsgrad) haben die Kommunen hingegen bisher einiges an Geld liegen gelassen. Ob es noch überall gelingt, den Fördertopf auszuschöpfen, wird sich zeigen. Die Gemeinden haben nämlich nur mehr bis Ende 2022 Zeit, Förderanträge einzureichen.

Conclusio:

Die Idee der Gemeindemilliarde war richtig, um sicherzustellen, dass kommunale Investitionen nicht wegen der Corona-Krise zum Erliegen kommen. Gerade in Zeiten hoher Defizite und stark steigender Staatsausgaben müssen öffentliche Gelder aber effizient und möglichst zukunftsorientiert ausgegeben werden.

In jenen Bereichen, wo Österreich traditionell Defizite aufweist – bei der Kleinkindbetreuung und den Ausgaben für Umweltschutz – wurde mit der Gemeindemilliarde kein gezielter Fokus gelegt. Mangels konkreter Vorgaben des Bundes konnten keine ausreichenden Lenkungseffekte in Richtung klimafreundliche Gemeinden und besser Vereinbarkeit von Beruf und Familie erreicht werden.

Wichtig wäre jetzt eine umfassende Evaluierung des Projektes, um die richtigen Schlüsse für die anstehenden Verhandlungen um einen neuen Finanzausgleich ziehen zu können.

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