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Österreich: Putins „bester Kunde“

Lukas Sustala
Lukas Sustala

5 unbequeme Wahrheiten zur Energielage: In der Europäischen Union ist Österreich mittlerweile das Land, das am meisten Geld für russische Gasimporte bezahlt. Die Republik setzt einen geopolitischen Sonderweg fort, weil die Energiepolitik wenig unternimmt, um von russischem Gas wegzukommen. Dabei sind die Voraussetzungen besser als gedacht.

Foto: Don Fontijn / unsplash.com

Österreich geht seit einem Jahr einen geopolitischen Sonderweg. Jahrzehntelang hat die Energiepolitik das Land an die „Gasleine“ Russlands gelegt, trotz der Zeitenwende hat es bis zuletzt kaum Versuche gegeben, sich rasch und aktiv von russischem Gas unabhängig zu machen. Der ehemalige wissenschaftliche Leiter der Energieagentur, Herbert Lechner, hat Diversifikationsbemühungen als „Marketing“ bezeichnet. Es gebe „keine konkreten Schritte“, um sich von Russland unabhängig zu machen (Politico). Fünf unbequeme Wahrheiten zeichnen aktuell die österreichische Energiepolitik aus.

  1. Wir setzen nach wie vor auf Gas aus Russland
  2. Wir überweisen Rekordsummen in die russische Kriegswirtschaft
  3. Es gibt keinen Plan, auf russisches Gas zu verzichten
  4. Teures Gas aus Russland treibt die Inflation
  5. Sanktionen oder Lieferstopps sind wahrscheinlich

Weiter hoch im Kurs: Gas aus Russland 

Österreich setzt weiter stark auf russisches Gas zur Deckung der eigenen Importe. Das geht aus Daten der E-Control für das Energiedashboard der Regierung hervor. Demzufolge hat Österreich im Februar 2023 57 Prozent seines Erdgases aus Russland importiert, im Dezember 2022 waren es 71 Prozent.

Damit bleibt zweifelhaft, ob Österreich das gemeinsame EU-Ziel erreichen wird, die Gasimporte aus Russland um zwei Drittel zu reduzieren. Dieses Ziel wurde vor einem Jahr von der EU-Kommission vorgestellt. Auf EU-Ebene ist der Anteil russischer Gasimporte tatsächlich sehr stark gefallen, von rund einem Drittel in den Wintermonaten 2021/2022 auf weniger als zehn Prozent ein Jahr später.

In Österreich sind die Rückgänge wesentlich kleiner ausgefallen. 2022 haben österreichische Importeure mehr als 7 Milliarden Euro für Gasimporte aus Russland bezahlt, wesentlich mehr als in den Jahren zuvor. Und das, obwohl die Mengen wegen der gedrosselten Gazprom-Lieferungen deutlich geringer ausgefallen sind.

Seitdem die Gazprom wieder so viel Gas liefert, wie die OMV bestellt, ist der Anteil russischen Gases wieder deutlich gestiegen. „Österreich ist mit seinen signifikanten Gasimporten einer der letzten westlichen Kunden für russisches Gas. Damit werden wir zum geopolitischen Geisterfahrer in Europa“, habe ich der APA jüngst gesagt (SN).

Österreich überweist viel Geld nach Russland

Obwohl es 2022 zu massiven Liefereinschränkungen gekommen ist und die Gazprom auch heute nicht die Mengen liefert, die vor dem Krieg üblich waren, überweisen österreichische Importeure aktuell vergleichsweise hohe Summen nach Russland. Im Vorjahr gab es erstmals einen Monat, in dem die Außenhandelsstatistik einen Importwert von mehr als einer Milliarde Euro in nur einem Monat ausgewiesen hat. Zuletzt waren es mehr als 700 Millionen Euro. 

Es ist übrigens nicht so, dass russisches Gas dabei besonders günstig wäre. Darauf deuten eigentlich alle Indikatoren hin. In der Außenhandelsstatistik sind die Preise für russisches Gas genauso gestiegen wir für die anderen Quellen, da die Preisformeln für russisches Gas offenbar sehr nah an die Marktpreise angelehnt sind. Der Ökonom Daniel Gros hat das Versprechen vom „billigen russischen Gas“ für Deutschland und Österreich längst als unhaltbaren Mythos entlarvt (FAZ). Und bei den Endkunden zeigt sich ja ein aktueller Blick, dass österreichische Haushalte am zweitmeisten für Gas in der EU bezahlen (HEPI). 

Österreich als Russlands „bester Kunde“

Eine Studie des Centre for Research on Energy and Clean Air (CREA) hat die Zahlungen für russische Energieträger seit dem 24. Februar 2022 dokumentiert. Innerhalb Europas zeigt sich deutlich, dass Österreich einer der wichtigsten Importeure von russischem Gas geblieben ist. Die Importkosten für russisches Gas waren seit Februar 2022 mit fast 600 Euro pro Einwohner (5,3 Milliarden Euro in dem Jahr seit dem 24.2.2022)

Österreich spart vergleichsweise wenig ein

Bereits in einer Analyse im Februar hat das NEOS Lab darauf hingewiesen, dass Österreich vergleichsweise wenig Gas eingespart hat. Das wäre allerdings eine wichtige Voraussetzung dafür, sich noch weiter von den Gasimporten aus Russland zu lösen. Allerdings stagniert die Stromproduktion aus erneuerbaren Energien hierzulande, weil die Wasserkraft wegen niedriger Pegelstände weniger produziert hat. Daher wird ausgerechnet in einer Zeit, in der Gas so viel teurer ist, mehr Strom mit Gas produziert.

Weiter keine energiepolitische Strategie in Sachen Gas

Weil die OMV bis 2040 laufende Verträge mit der Gazprom hat, zieht sich die Energiepolitik aktuell zur Gänze zurück. Die Regierung behauptete zuletzt immer wieder, die Verträge zwischen der Gazprom und der teilstaatlichen OMV gar nicht zu kennen (und auch nicht einsehen zu können). Die OMV wiederum bekräftigt, dass sie keinen Auftrag zur Versorgungssicherheit Österreichs habe und sie nicht daran denkt, aus dem Vertrag auszusteigen (obwohl die Gazprom im Vorjahr während des russischen Erpressungsversuchs vertragsbrüchig wurde). 

Das Klima- und Energieministerium hat zwar eine Studie bei der Energieagentur in Auftrag gegeben, um zu evaluieren, bis wann Österreich aus russischem Gas aussteigen kann. Doch seitdem ist kurzzeitig das Worst-Case-Szenario des völligen Lieferstopps eingetreten, und der europäische Gasmarkt erlebte im Jahr 2022 die größten Preis- und Nachfrageveränderungen in seiner Geschichte. 

Es wird nicht gerne laut gesagt, aber Europa hat den Energiekrieg gegen Russland gewonnen (Politico). Der Erpressungsversuch 2022 ist gescheitert, die Energieversorgung wurde trotz des russischen Lieferstopps und der Nord-Stream-Sabotage gesichert, Europa importierte so viel Gas aus anderen Quellen wie noch nie und sparte ein. Heute stehen wir am Ende der Heizsaison 2022/2023 mit historisch hohen Gasfüllständen da. 

Wie ein Ausstieg gelingen kann

Die Situation im April 2023 ist daher eine andere als im April 2022. Europa weiß heute viel genauer, wie resillient das Energiesystem ist und wo es tatsächlich Probleme gibt. „Vor einem Jahr war die Situation noch eine andere. Würde die Gazprom heute aufhören zu liefern oder beispielsweise die OMV den Vertrag mit 1. April kündigen, wäre es für Österreich wohl kein Problem, mit Gas aus nichtrussischen Quellen über den nächsten Winter zu kommen“, sagt der Energieexperte Walter Boltz

2022 gab es viele Schockreaktionen, und die Gasflüsse, die in Europa sonst traditionell von Osten nach Westen liefen, wurden umgedreht, weil Gas aus den Niederlanden oder Norwegen in großer Menge auch nach Deutschland oder Österreich kam. Die Infrastruktur wurde stellenweise schon auf- und ausgebaut. 

Der wohl wichtigste Grund, warum die Gazprom wieder Gas nach Österreich liefert, ist, dass die russische Wirtschaft auf die Einnahmen angewiesen ist, denn die Sanktionen wirken und haben zu zahllosen Engpässen geführt. 

Solange der österreichische Ausstieg von russischem Gas aber der Gazprom überlassen wird – solange sie liefert, bezieht die OMV gerne –, handelt es sich beim Versprechen der österreichischen Unabhängigkeit von russischem Gas um ein Lippenbekenntnis. Wichtige Voraussetzung wäre daher ein Ausstieg aus den ultralangen Gaslieferverträgen. Der Energieexperte Boltz geht davon aus, dass vor allem ein gesetzlicher Ausstieg möglich ist, also die Vorschrift an österreichische Energieversorger, ihre Kunden nicht mehr mit Gas aus Russland zu versorgen.  

Warum die Zeit drängt – und günstig ist

Es zeichnet sich ab, dass Europa bei den nächsten Sanktionspaketen auch den Gasmarkt in den Blick nehmen könnte (Euractiv). EU-Energiekommissarin Kadri Simson drängt EU-Mitgliedstaaten aktuell, keine neuen Flüssiggas-Kontrakte mit Russland abzuschließen – die wichtigste Gasquelle neben der russischen Pipeline durch die Ukraine, die nach Zentraleuropa führt.
Abgesehen davon besteht auch die Gefahr, dass im anhaltenden Krieg im Osten der Ukraine auch die Gas-Infrastruktur beschädigt werden könnte. Sanktionen oder Lieferstopps könnten die Frage von russischem Gas aufs Tapet bringen, ob die Regierung will oder nicht.

Es gilt also Sorge zu tragen, sich gut vorzubereiten. Die Gasspeicher sind jedenfalls für Mitte April historisch hoch. Nur im Pandemiejahr 2020 (mitten im Lockdown) waren die Speicherstände höher als heute. Boltz und andere Energieexperten sagen heute daher klar, dass Österreich auch ohne russisches Gas durch den nächsten Winter kommen könnte – wobei klare Signale für weitere Diversifikation, Umrüstung und auch Einsparungen wichtige Voraussetzungen wären. Damit die wichtige Frage der Energiesicherheit geklärt bleibt und alle Menschen in Österreich, die in Industrie oder Haushalten auf Gas angewiesen sind, Planungssicherheit haben.

Im Vorjahr musste Europa wegen Russlands Erpressungsversuch, gedrosselten Lieferungen und der späteren Liefereinstellung nach der Sabotage der Nord-Stream-Pipeline auf rund drei Viertel der russischen Gaslieferungen verzichten. Dennoch sind auch die europäischen Gasspeicher zum aktuellen Stand so voll wie sonst nie. Lieferungen aus Norwegen, den USA, Algerien und über den Flüssiggas-Markt haben die Ausfälle aus Russland kompensiert. Wenn nun 2023 und 2024, wie der Internationale Währungsfonds rechnet, die Weltwirtschaft nur noch sehr langsam wächst, wird das die globale Gas-Nachfrage weiter drosseln. 

Energiesicherheit ist auch Sicherheit

Jüngst hat die Bundesregierung verkündet, eine neue Sicherheitsstrategie zu erarbeiten, und dass Energiesicherheit ein wichtiger Teil davon sein soll. Das ist mehr als ein Jahr nach Beginn des Krieges richtig und auch hoch an der Zeit. Gerade auch unter diesem Gesichtspunkt sollte eine Klärung der Frage, wie man denn mit den Gazprom-Verträgen und der russischen Gasabhängigkeit umgehen möchte, ganz oben auf der Prioritätenliste stehen. Sich aktiv von russischem Gas unabhängig zu machen, erhöht auch die Energiesicherheit Österreichs nach Jahrzehnten des kurzsichtigen Setzens auf nur einen großen Lieferanten. Doch dafür muss die Energiepolitik handeln – und nicht zuwarten.

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