Die Situation im April 2023 ist daher eine andere als im April 2022. Europa weiß heute viel genauer, wie resillient das Energiesystem ist und wo es tatsächlich Probleme gibt. „Vor einem Jahr war die Situation noch eine andere. Würde die Gazprom heute aufhören zu liefern oder beispielsweise die OMV den Vertrag mit 1. April kündigen, wäre es für Österreich wohl kein Problem, mit Gas aus nichtrussischen Quellen über den nächsten Winter zu kommen“, sagt der Energieexperte Walter Boltz.
2022 gab es viele Schockreaktionen, und die Gasflüsse, die in Europa sonst traditionell von Osten nach Westen liefen, wurden umgedreht, weil Gas aus den Niederlanden oder Norwegen in großer Menge auch nach Deutschland oder Österreich kam. Die Infrastruktur wurde stellenweise schon auf- und ausgebaut.
Der wohl wichtigste Grund, warum die Gazprom wieder Gas nach Österreich liefert, ist, dass die russische Wirtschaft auf die Einnahmen angewiesen ist, denn die Sanktionen wirken und haben zu zahllosen Engpässen geführt.
Solange der österreichische Ausstieg von russischem Gas aber der Gazprom überlassen wird – solange sie liefert, bezieht die OMV gerne –, handelt es sich beim Versprechen der österreichischen Unabhängigkeit von russischem Gas um ein Lippenbekenntnis. Wichtige Voraussetzung wäre daher ein Ausstieg aus den ultralangen Gaslieferverträgen. Der Energieexperte Boltz geht davon aus, dass vor allem ein gesetzlicher Ausstieg möglich ist, also die Vorschrift an österreichische Energieversorger, ihre Kunden nicht mehr mit Gas aus Russland zu versorgen.