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Spannende Wiederwahl, große Herausforderungen

Silvia Nadjivan
Silvia Nadjivan

Für ihre Wiederwahl als Kommissionspräsidentin musste Ursula von der Leyen viele Zugeständnisse machen. Die Herausforderungen ihrer zweiten Amtszeit sind groß. In ihrer Rede betonte sie die Wichtigkeit einer stärkeren europäischen Einheit.

Bis zuletzt galt die Unterstützung des EU-Parlaments für von der Leyen als sehr wahrscheinlich, jedoch nicht sicher. Zeitlich ungünstig kam einen Tag vor der Wahl die Veröffentlichung des Schuldspruchs vom EU-Gerichtshof. Demnach habe die EU-Kommission bezogen auf den Covid-Impfstoff nicht ausreichend informiert. Vor diesem Hintergrund musste sich von der Leyen die Zugeständnisse der liberaldemokratischen Fraktionen hart erarbeiten. Das sollte auch Früchte tragen.

Kein Schwenk nach rechts 

Mit einer klaren Mehrheit von 401 Stimmen wurde von der Leyen als Kommissionspräsidentin wiedergewählt. 284 Abgeordnete stimmten gegen sie, darunter viele, die durch die Stimmengewinne der Rechtsaußen-Parteien zum ersten Mal ins EU-Parlament gelangten und jetzt zu den neu gegründeten Rechtsfraktionen gehören: Patrioten für Europa (u.a. aus FPÖ, Rassemblement National und Fidesz zusammengesetzt) und Europa Souveräner Nationen (mit der AfD an der Spitze).

Auch die Europäischen Konservativen und Reformisten mit Fraktionschefin Giorgia Meloni stimmten größtenteils gegen von der Leyen. Im EU-Rat hatte sich Meloni noch der Stimme enthalten. Dieses Mal stimmte ihre Partei Fratelli d’Italia gegen von der Leyen und zerstreute bisherige Befürchtungen eines Schulterschlusses beider Politiker:innen und damit der Fraktionen EVP und EKR. 

Hoffnungsvolle Wunschliste 

Um sie bei der Wahl im Straßburger Parlament am 18. Juli zu unterstützen, verlangten die S&D-Fraktion, Renew Group und Grünen eine klare Abgrenzung gegen den Rechtsruck im EU-Parlament. In intensiven Gesprächen vor der Abstimmung ging es daher um vielfältige Forderungen, die von der Leyen in ihrer 45-minütigen Rede auch einbaute. Nach einem sehr persönlichen und emotionalen Rückblick auf ihre erste Amtszeit zählte von der Leyen sozusagen die Anliegen der drei liberaldemokratischen Fraktionen auf, und zwar mit geschickt platzierten Signalwörtern: u.a. gemeinsamer Binnenmarkt, EU-Reformen und weniger Bürokratie, eine gemeinsame Sicherheits- und Verteidigungspolitik, sichere Grenzen und eine Aufstockung von Frontex. Außerdem versprach sie einen „Clean Industrial Deal“ und E-Fuels, überdies einen Wettbewerbsfonds, Unterstützung für die Landwirtschaft, ebenso für die Jugend, und leistbares Wohnen. Einen besonderen Platz räumte sie der Verbesserung von sozialer Fairness, Frauenrechten und der Stärkung von Demokratie insgesamt ein, also resilient und nachhaltig die Zukunft zu beschreiten. 

Schwierige globale Lage 

Was sich durch ihre Rede zog, war der russische Angriffskrieg gegen die Ukraine, womit sie zu einer größeren europäischen Einheit aufrief. Damit meinte sie die EU-Erweiterung inklusive Westbalkan und den jüngsten Beitrittskandidaten als auch die europäische Integration und längst notwendige Maßnahmen gegen antidemokratische Kräfte im Inneren und Äußeren der EU (von gestärkter Medienkompetenz bis höherer Cybersecurity). Denn die Herausforderungen ihrer zweiten Amtszeit sind weitaus größer als noch 2019, als all die jetzt vorherrschenden Probleme unvorstellbar waren, vor allem im globalen Kontext.

Klare EU-Außen- und Sicherheitspolitik notwendig

Mit der Nominierung von Kaja Kallas, der estnischen Premierministerin, als zukünftiger EU-Chefdiplomatin hat von der Leyen ein unmissverständliches Zeichen in Richtung einer aktiven und kantigen EU-Außen- und sicherheitspolitik gesetzt. Und diese ist dringend notwendig. Empfohlen wird (nicht nur) vom Brüsseler Thinktank Bruegel eine gemeinsame europäische Position gegenüber den USA, die als Partner schwieriger einzuschätzen sind. Auch müsste das Verhältnis zu China, unabhängig von den USA, klar definiert sein, ob nun europäischer Wirtschaftspartner oder doch Rivale. Mit Indien sollten die Wirtschaftsbeziehungen vertieft werden. Insgesamt sollte sich die EU um bessere Netzwerke mit dem globalen Süden kümmern, den Nahen Osten eingeschlossen. Dazu wird es unerlässlich sein, die Funktion des oder der EU-Außenbeauftragten auch formal zu stärken. Damit würde eine durchsetzungsstarke Politikerin wie Kaja Kallas entsprechende Befugnisse erhalten, Europas Position als agiler Global Player im volatilen globalen Kontext zu stärken.

(Bild: Montage/Dati Bendo, EU-Kommission/iStock)

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