Zum Inhalt springen
Bitte geben Sie einen Suchbegriff ein.

Alarmierend: Populistische Bedrohungen in Europa

Silvia Nadjivan
Silvia Nadjivan

Bedrohungen in Europa gehen auch von populistischen Parteien aus. Warum das so ist und wir uns dagegen wappnen können.

Pünktlich zu Beginn der neuen Legislaturperiode des EU-Parlaments hat das European Liberal Forum (ELF) wieder eine Publikation mit brisanten Zukunftsfragen veröffentlicht. Die aktuelle Future Europe-Ausgabe „Defending Europe: Geopolitics, Innovation, Democracy“ beschäftigt sich damit, mit innovativen Ansätzen bürgerliche Freiheiten, die Demokratie sowie innere und äußere Sicherheit zu schützen. In ihrem Beitrag „Alarming Populist Threats in Europe“ hat NEOS Lab Senior Researcherin Silvia Nadjivan 25 rechts- und linkspopulistischen Parteien in 13 EU-Ländern untersucht – mit Fokus auf zentrale Narrative sowie Machtmechanismen. Darauf aufbauend hat sie Schlüsse für die Stärkung der liberalen Demokratie in Europa gezogen. Im Folgenden die wesentlichen Punkte:

Immer die gleichen Muster

Gleich ob rechts- oder linkspopulistisch, alle populistischen, antidemokratischen Parteien bedienen sich der gleichen Muster:

1. Sie geben vor, im Namen des sogenannten Volkes zu sprechen, das sie als homogen darstellen.

2. Sie bedienen sich eines Feindbilds, das zugleich als Sündenbock für alle Probleme fungiert.

3. Mit derart simplifizierten Freund-Feind-Bildern ignorieren sie komplexe politische sowie sozioökonomische Kontexte und versprechen stattdessen einfache Lösungen, die der sozialen Realität nicht standhalten können.

Ideologischer Aufschwung

Der Unterschied zwischen Rechts- und Linkspopulismen liegt in der Wirtsideologie. Während es am rechten Rand Nationalismus und Nativismus sind (als Bevorzugen der autochthonen gegenüber der zugewanderten Bevölkerung), wird am linken Rand auf Sozialismus und Antikapitalismus rekurriert. So konnten linkspopulistische Parteien vor allem in Griechenland, Spanien, aber auch Italien, Deutschland und Frankreich von der internationalen Finanz- und Wirtschaftskrise seit 2007 und dadurch ausgelösten Eurokrise profitieren. Die soziale Unzufriedenheit über den EU-Rettungsschirm konnten sie sich so lange zunutze machen, bis sie nicht selbst – wie plötzlich in Regierungsposition – die EU-Fiskalpolitik umsetzen mussten, so in Griechenland und Spanien.

Rechtspopulistische Parteien wiederum profitierten und profitieren weiterhin von der sogenannten Migrationskrise bzw. Migrationspolitikkrise, die 2015 ihren Höhepunkt erreicht hat. Da Flucht und irreguläre Migration in Richtung Europa nach wie vor zu den brennendsten Themen zählen, können Rechtsaußen-Parteien ihre Stimmengewinne laufend maximieren.

In der Regierung überfordert

Populistische Parteien agieren entsprechend ihrer möglichen politischen Position. Solange sie sich in parlamentarischer Opposition befinden, attackieren sie rhetorisch die Regierungsparteien. Sobald sie als Koalitionspartner in nationale Regierungsfunktion treten, scheinen sie angesichts der zu lösenden komplexen Probleme überfordert zu sein. Gefährlich werden populistische Parteien dann, wenn sie mit Regierungsmehrheit durch antipluralistische und autokratische Kompetenzüberschreitungen ihre politische Machtposition auszubauen trachten. Das betrifft vor allem rechtspopulistische Parteien, die quantitativ und politisch betrachtet auch einflussreicher als linkspopulistische Parteien sind. Besonders drastische Beispiele dafür sind die ungarische Fidesz und die polnische PiS, zumindest bis zu deren Abwahl 2022. Gegen Polen hat die EU das Artikel-7-Verfahren 2023 eingestellt. Bei der ungarischen Regierung mehren sich unterdessen die EU-Vertragsbrüche. Nach den EU-Wahlen im Juni ist es vorerst zu keinem gemeinsamen Rechtsaußen-Block im EU-Parlament gekommen. Zu gegensätzlich erscheinen hier die Interessen auch im Zusammenhang mit dem russischen Angriffskrieg gegen die Ukraine.

Konkurrierende Positionen zu Russland

Der russische Angriffskrieg gegen die Ukraine hat sich auch als hybrider Krieg gegen Europa entpuppt, der seit Jahren im Gang ist. Dazu zählt die Verbreitung von Desinformation und Fake News, um dadurch die gesellschaftliche Spaltung in den EU-Mitgliedsländern zu forcieren. Weiters werden seit Jahren populistische und antidemokratische Parteien vom russischen Präsidenten Wladimir Putin finanziell unterstützt. Diese Unterstützung betrifft rechts- und linkspopulistische Parteien gleichermaßen, sodass die ideologischen Grenzen untereinander teilweise an Bedeutung verlieren und stattdessen von deren Positionen zu Putin und der russischen Kriegsmaschinerie überdeckt werden.

In diesem Zusammenhang lassen sich drei Grundhaltungen feststellen:

1. Die proukrainische Position vertreten jene populistischen Parteien, die mit dem Kreml und Putin keine Verträge geschlossen haben und von diesem finanziell nicht abhängig sind.

2. Die ambivalente Position ist bei jenen Parteien zu finden, die in der Vergangenheit von Putin finanziell unterstützt wurden, sich jedoch seit Kriegsausbruch vom russischen Kriegstreiber distanziert haben; vorwiegend, um nicht selbst in Misskredit zu geraten.

3. Die prorussische Position nehmen jene populistischen Parteien ein, die ebenfalls in der Vergangenheit mit Putin ein Naheverhältnis pflegten, sich jedoch nicht dezidiert von dessen Kriegstreiberei distanziert haben, stattdessen allen voran die EU und NATO öffentlich diskreditieren.

Schlüsse für die Stärkung liberaler Demokratie

Wie sich zeigt, sind Populismus, das Aushöhlen von Rechtsstaatlichkeit und Korruption eng miteinander verknüpft. Notwendig sind daher härtere Sanktionen bei EU-Vertragsbruch. Da sich Europa seit der Zeitenwende in einer neuen sicherheitspolitischen und internationalen Situation befindet, ist auch eine gemeinsame Außen-, Sicherheits- und Verteidigungspolitik dringend notwendig. Außerdem muss jeder EU-Mitgliedstaat darauf achten, Angriffen von außen auch aus eigener Kraft standhalten zu können und damit selbst keine Schwachstellen zu bieten. Infiltrierungen kann mit Transparenz bei Parteienfinanzierung begegnet werden. International muss Europa – anstatt mit 27 Einzelstimmen – endlich mit einer gemeinsamen Stimme sprechen. Damit wäre es nicht nur ein Global Payer, sondern auch ein ernst zu nehmender Global Player.

(Bild: Firefly AI)

Vielleicht interessieren dich auch diese Artikel

Drei Schachfiguren: Ein USA-König und ein Russland-König lehnen sich gegeneinander, dazwischen befindet sich ein Ukraine-Bauer
18.02.2025Silvia Nadjivan6 Minuten

Wenn über Europa ohne Europa verhandelt wird

In der Ukraine entscheidet sich die Sicherheit Europas. Doch über die Sicherheit Europas soll nun ohne Europa verhandelt werden. Zum dritten Jahrestag des russischen Aggressionskriegs gegen die Ukraine rächt sich die behäbige Reaktion statt der groß angekündigten Zeitenwende. Eine kurze Analyse von Silvia Nadjivan und Lukas Sustala.

Mehr dazu
iStock-584607186-2121x1192
10.02.2025Silvia Nadjivan3 Minuten

2025: 30 Jahre EU-Beitritt und vieles mehr

Heuer ist das Jahr weltweiter Jubiläen. Allein Österreich begeht drei davon: 30 Jahre EU-Mitgliedschaft, 70 Jahre Staatsvertrag und 80 Jahre Ende des Zweiten Weltkriegs. Es gibt daher gute Gründe zur Freude, allerdings auch zu verstärkter Achtsamkeit.

Mehr dazu
Ein Arzt vor einem Laptop und einem Taschenrechner. Vor ihm liegen Münzen und ausgedruckte Grafiken.
06.02.2025Georg Lundström-Halbgebauer4 Minuten

Hohe Gesundheitsausgaben und kein Ende in Sicht

Österreichs Gesundheitssystem ist gut, aber teuer. Das bestätigt ein neuer Bericht der Statistik Austria. Auch nach Ende der Pandemie sind die Gesundheitsausgaben weiter gestiegen. Eine Rückkehr zum Vorkrisen-Pfad scheint nicht in Sicht. 

Mehr dazu

Melde dich für unseren Newsletter an!