5 Gründe, um 2025 optimistisch zu bleiben
Zugegeben, die Titelzeilen der Zeitungen versprühen derzeit nicht gerade Hoffnung und gute Laune. Doch ob Sie’s glauben oder nicht: Es gibt ein paar Gründe, zuversichtlich ins Jahr 2025 zu schauen.
Russlands Präsident Wladimir Putin hat einen Angriffskrieg gestartet. Wirtschaftliche Sanktionen sollen die Kosten für ihn in die Höhe treiben. Doch welche Optionen gibt es überhaupt für den Westen?
Europa steht entrüstet vor einem aufgerüsteten Russland, das einen aggressiven Angriffskrieg gegen die Ukraine gestartet hat. Militärisch hat die EU dem nichts entgegenzusetzen. Es ist klar geworden, dass Putins Aggression das Ende der Naivität einläuten wird, jener Naivität nämlich, dass militärische Macht eine Dimension aus längst vergangenen Tagen ist, die heute keinen Wert mehr darstellt – es ist mit Blick auf das Schlachtfeld, das Russland aus der Ukraine gemacht hat, ganz offensichtlich nicht so.
In dieser kurzen Einschätzung soll es nach vier sehr turbulenten Tagen aber um nicht-militärische Reaktionen auf die russische Aggression gehen. In den vergangenen Jahren wurden Wirtschaftssanktionen gerne als Alternative zum Krieg, „Krieg mit anderer Methode“ bezeichnet.
In den vergangenen Tagen wurde daher die Solidaritätsrhetorik der EU stark davon begleitet, das Ausmaß an Sanktionen zu betonen und die Schärfe ihrer Wirkung.
Die EU-Kommission versprach, mit den Freitagfrüh verhängten Sanktionen nicht mehr und nicht weniger, als die industrielle Basis Russlands auszuhöhlen. Das klingt schon nach einem Wirtschaftskrieg.
Aber der Ausschluss Russlands aus dem Zahlungsverkehrssystem SWIFT wird gerade in englischsprachigen Medien als die "nuclear option", die "nukleare Waffe" im Sanktionsarsenal gesehen. Auch wenn dieses Bild massiv verzerrt ist – keine wirtschaftliche Sanktion ist "nuklear", sie ist nur vergleichsweise weitreichend oder effektiv –, so ist auch klar, dass es immer noch viel Spielraum für wirtschaftliche Sanktionen gibt. Drei Möglichkeiten sollen daher besprochen werden:
Fangen wir mit der Forderung nach einem #SWIFTban an. Der Ausschluss aus SWIFT, der Society for Worldwide Interbank Financial Telecommunication, einer belgische Genossenschaft, klingt zwar wie ein technisches Detail. Aber Länder wie der Iran oder Venezuela wurden gerade auch mit wirtschaftlichen Sanktionen zum Teil schwer getroffen, und der Ausschluss von SWIFT spielte dabei eine Rolle.
Über SWIFT werden zwar keine Zahlungen getätigt, aber das System vereinfacht und unterstützt die Abwicklung globaler Zahlungen zwischen weltweit 11.000 Finanzinstitutionen in allen Ländern (außer Nordkorea). SWIFT ist eine Art Messaging Plattform für den Interbanken-Zahlungsverkehr. Das sehr sichere und standardisierte System unterstützt allerlei Finanztransaktionen, eben auch Überweisungen. Ein europäischer Stahlkonzern zahlt Millionen Euro für russische Gaslieferungen? Die involvierten Banken kommunizieren für die Transaktion sicher über SWIFT, um Eingang zu bestätigen und den Geldfluss zu bestätigen. Weil bis auf Nordkorea so Handel zwischen allen Ländern des Globus abgewickelt werden können, ist das ein sehr effizientes und zentrales System im Hintergrund. Mehrere Billionen Dollar an Zahlungen werden so abgewickelt. Auch die 291 russischen Finanzinstitutionen in SWIFT wickeln viele Zahlungen ab, rund 800 Milliarden US-Dollar pro Jahr (FT Alphaville).
Was würde nun passieren, wenn Russland aus SWIFT ausgeschlossen wird? Es würde den Außenhandel Russlands verkomplizieren, verteuern und je nach Sanktionslage sogar verunmöglichen. Das zeigt auch das Beispiel des - zugegebenermaßen ökonomisch kleineren - Iran vor rund einem Jahrzehnt. Zwar hat Europa eine alternative Infrastruktur zu SWIFT aufgebaut, um mögliche Energielieferungen abzuwickeln, doch es gab kaum Finanzinstitutionen, die daran teilgenommen haben, aus Angst, von den wichtigen US-amerikanischen Banken gemieden oder den US-amerikanischen Finanzaufsehern sanktioniert zu werden.
"Without access to Swift, it would become nigh-on impossible for Russian companies to be paid in a timely or reliable way. Without access to correspondent banking services in the US, it would be nigh-on impossible for Russian exporters to be paid at all. This is what’s called the “weaponisation of finance”, where Washington uses the dollar’s dominance to further the aims of US foreign policy." (FT Alphaville)
Die besondere Bedeutung des US-Finanzsystems für den internationalen Zahlungsverkehr macht aber auch klar, dass es einen Schwenk der US-Sanktionspolitik braucht, weil derzeit noch alle Zahlungen für Energie von Sanktionen ausgenommen sind – etwa die 700 Millionen US-Dollar an Öllieferungen in den 24 Stunden nach der Anerkennung Putins der beiden Rebellen-"Republiken" (Bloomberg). Es ist klar: Damit Sanktionen gegen Russland auch wirklich sanktionieren, müssen sie den Energiesektor und Energiezahlungen treffen.
Interessanterweise sind es gerade Ökonominnen und Ökonomen, die stark den SWIFT-Ausschluss als härtere wirtschaftliche Sanktion fordern. Die deutsche Wirtschaftsweise Monika Schnitzer etwa schreibt auf Twitter: „Es ist unverständlich, warum gezögert wird, #SWIFT als Sanktionsinstrument zu nutzen. Wir wollen kein Instrument für die nächste Eskalationsstufe zurückhalten, wir wollen sie verhindern.“ Und der Chef des österreichischen Wirtschaftsforschungsinstituts Gabriel Felbermayr forderte in einem Interview mit dem Spiegel schärfere Sanktionen. Ein Ausschluss Russlands aus dem SWIFT-System würde „den ganzen Handel Russlands“ erschweren.
Auch wenn sich gerade die deutsche Bundesregierung mit teils irritierenden Argumenten gegen den #SWIFTban ausspricht, so gibt es mittlerweile über Großbritannien hinaus Druck auf diese Sanktion. So hat die niederländische Finanzministerin Sigrid Kaag (D66) eine rasche Entscheidung zum SWIFT-Ausschluss Russlands beim aktuellen Treffen der Euro-Finanzminister gefordert:
Erste Meldungen legen nahe, dass skeptische Länder wie Deutschland und Italien nun ebenfalls bereit sind, die Sanktion via SWIFT einzusetzen.
Traditionell treffen Sanktionen Exporte und Importe unterschiedlichster Güter. Zuletzt hat die EU etwa beschlossen, essenzielle Investitionsgüter für die Erdöl- und Gasförderung mit einem Exportverbot zu belegen. Das wird die mittel- und langfristige Förderkapazität Russlands zwar eindämmen.
Doch kurzfristig wäre eine andere Maßnahme wirksamer. „Europa sollte sämtliche Gasimporte aus Russland einstellen“, fordert etwa der WIFO-Chef Gabriel Felbermayr (Spiegel). Das klingt kurzfristig kontraproduktiv, würde das doch auch mit massiven Kosten in Europa verbunden sein. Allerdings ist klar, dass der russische Staatshaushalt rund zur Hälfte von Energieimporten gespeist wird. Brechen diese Wege wäre die Regierung mit einem ganz massiven Einbruch an Einnahmen konfrontiert. Und so schnell lassen sich die Erlöse in Europa nicht anderswo lukrieren.
Allerdings muss klar dazugesagt werden, dass aktuelle Analysen zwar zeigen, dass man mit der vorhandenen Gas-Speichermenge die letzten Winterwochen wohl in Europa überstehen könnte. Allerdings lassen sich wohl nicht schnell genug ausreichend alternative Quellen bzw. eigene Produktion in Europa finden. Es wäre eine massive Herausforderung ohne russisches Gas auszukommen (was auch der Klimaökonom Gernot Wagner in einem aktuellen Stück für Bloomberg ausführt). In einer ausführlichen Analyse für Bruegel haben mehrere Energie-Ökonomen jedenfalls festgestellt, dass beim vollständigen Wegfall russischen Gases es eben nicht ausreichen würde, "nur" neue Lieferungen aufzutreiben. Auch die Nachfrage müsste gedrosselt werden (vor allem in der Industrie):
Until the summer, the EU would likely be able to survive large-scale disruption to Russian gas supplies, based on a combination of increased LNG imports (to the limited extent this is technically possible) and demand-side measures such as industrial gas curtailments. However, this would come at a cost for the EU economy and might even result in some countries (those more exposed to Russian gas and less interconnected with other EU countries) having to take emergency measures. (Bruegel)
Der Stop der Gasimporte wird zwar die Liquidität der russischen Regierung einschränken. Doch in den vergangenen Jahren hat der Kreml Reserven aufgebaut. Und das nicht zu knapp. Ein Staatsfonds wurde in den vergangenen Tagen bereits angezapft, um die Effekte der ersten Welle an Sanktionen zu stoppen und kurzfristige Kredite zu ersetzen (Reuters).
Es wäre eine massive Verschärfung der Finanzsanktionen, würden sich USA und Europa darauf verständigen, den russischen Finanzmarkt noch gezielter zu destabilisieren und etwa Vermögenswerte im Ausland einzufrieren. Zwar verfügt die russische Führung über rund 600 Milliarden Dollar an Reserven, aber Sanktionen können die finanzielle Kapazität Russlands, damit auf dem internationalen Devisenmarkt zu agieren, kurzfristig deutlich einschränken.
Eine Folge einer nochmaligen Verschärfung von Finanzsanktionen wäre, dass die russische Zentralbank mit frisch gedruckten Rubel die eigenen Banken stützen müsste und damit wohl zu einer hohen Inflation beitragen würde. Der russische Rubel ist in den vergangenen Tagen zum Teil auf Rekord-Tiefstände gefallen.
Klar ist aber auch aus österreichischer Sicht: Gerade Sanktionen gegen den Finanzsektor und über SWIFT würden auch österreichische Banken treffen. Besonders die Raiffeisen Bank International ist immer noch mit einem starken Engagement in Russland beteiligt.
Die Vorstellung, dass nach den Sanktionen am Freitag keine Verschärfungen mehr möglich wären, ist nicht zutreffend. Jedenfalls gibt es drei weitere Schrauben für noch schärfere, wirtschaftliche Maßnahmen als Antwort auf Putins Angriffskrieg: Den Ausschluss Russlands von SWIFT, den völligen Stop von Gasimporten und gezielte Angriffe auf die Reserven der russischen Föderation.
Alle Sanktionen werden zu einem Teil immer auch auf Europa zurückfallen, ob nun in Form von eigenen Finanzproblemen bei einzelnen, besonders exponierten Banken oder steigenden Gaspreisen. Diese Kosten werden je nach Dauer und Eskalation des Konflikts steigen. Doch es ist klar, dass Putins Einmarsch in die Ukraine bereits den Frieden in Europa gekostet hat – darauf nicht zu reagieren, hätte langfristig jedenfalls geopolitische Kosten.
Bloomberg (23.2.2022): Oil, Gas and Commodities Aren’t Being Weaponized — for Now.
FT Alphaville (25.2.2022): The impact of throwing Russia out of Swift.
Washington Post (24.2.2022): All About Swift, One Possible Path to Sanction Russia.
McWilliams, B. et al. (2022): Can Europe survive painlessly without Russian gas? Bruegel Blog, 27 January.
Ein spannender Thread zu SWIFT von einem ehemaligen Mitarbeiter in der Sanktionskontrolle einer Bank auf Twitter: https://twitter.com/l_hornung/status/1497250979514925058?s=20&t=QgUAJq4VYJbfY2nr0vHAwg.
5 Gründe, um 2025 optimistisch zu bleiben
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