Respekt für die Bürger:innen: Beate Meinl-Reisinger im ORF-Sommergespräch
Die Sprechwissenschaftlerin Susanne K. Weber hat für das NEOS Lab die ORF-Sommergespräche analysiert. Beate Meinl-Reisinger fällt durch ihre positive Energie auf und hat keine Scheu, auch unangenehme Wahrheiten auszusprechen.
Das Folgende ist eine Analyse von Körpersprache und Rhetorik, es geht dabei nicht um inhaltliche Argumente.
Die NEOS-Chefin strahlt von Beginn des Gesprächs viel Energie aus. Ihre Gesten sind groß, ihre Mimik lebhaft, und im Tempo ihrer Antworten liegt eine hohe Dynamik.
Ist sie mit der Aussage einer Frage, wie gleich zu Beginn „Warum wählt denn in den Gemeinden kaum jemand die NEOS?“ nicht einverstanden, tut sie dies spontan kund und stellt sofort klar „Stimmt ja überhaupt nicht!“ Das mag auf die einen abblockend wirken und auf die anderen selbstbewusst. Jedenfalls macht sie damit sofort deutlich, dass sie bereit ist zu kämpfen, sich durchzusetzen und dass sie auch die Auseinandersetzung nicht scheut.
Sie verkörpert kongruent die politische Botschaft der NEOS, die sie auch deutlich verbalisiert „Es braucht uns: Mit Energie, Willen und Mut“. Auch die Nachfrage von Thür „Die Grünen haben zehnmal mehr Gemeinderäte, die ÖVP hat hundert Mal mehr Gemeinderäte ...“ lässt Meinl-Reisinger nicht unkommentiert stehen und fällt Thür gleich zu Beginn ins Wort. Das ist und bleibt allerdings, und das ist bemerkenswert, einer der wenigen Momente des „Drüberredens“ vonseiten Meinl-Reisingers innerhalb des gesamten Gesprächs.
Respekt und Augenhöhe
Im weiteren Verlauf bringt sie auch kurze Anmerkungen zu Thürs Fragen zwischendurch so knapp unter, dass es zu keinen längeren, überlappenden und sich gegenseitig zudeckenden Gesprächspassagen kommt. Sie wirkt insgesamt sehr auf Respekt und Augenhöhe bedacht. Selbst bei kritischen Fragen hört sie zunächst einmal zu, bevor sie antwortet, oft nickend, was Interesse und Verständnis signalisiert.
Als Thür ihr die Liste von abwertenden Adjektiven vorliest, mit denen sie in der Vergangenheit ÖVP und SPÖ bedacht hat, schmunzelt Meinl-Reisinger zunächst. Dann lacht sie offen und wirkt entwaffnend ehrlich, als sie Thürs Frage „Und mit solchen Parteien wollen Sie koalieren?“ immer noch lächelnd, gleichzeitig ruhig und bewusst artikulierend, beantwortet mit:
„Also ich muss sagen, vieles von dem ist ja durchaus richtig. Aber trotzdem müssen wir schauen, in einer Demokratie, und ich habe ja da durchaus vor meiner eigenen Türe gekehrt, was die Art und Weise der Zusammenarbeit und vielleicht auch der Rhetorik angeht. [...] So kanns nimmer weitergehn, dieses Feindbild-Denken. Und das eine oder andere ist vielleicht etwas übers Ziel hinausgeschossen gewesen, auch von mir rhetorisch [...]. Aber der Punkt ist doch, wir müssen doch schauen, was gemeinsam geht. Und wir sind doch in der Verpflichtung den Menschen gegenüber, zu zeigen, dass es anders geht.“
In diesem dreimal wiederholten „doch“ und der Betonung der „Verpflichtung“ zeigt sich ihr Bewusstsein dafür, dass es darum geht, Gegensätze zu überwinden, auch gegen mögliche eigene Widerstände.
Selbstreflexion und Kooperation
Bereitschaft zur Selbstreflexion scheint Meinl-Reisinger wichtig. Und man nimmt ihr ab, dass sie es ernst meint mit der Kooperation, auch wenn sie sich gleichzeitig entschlossen zeigt, was ihre eigenen Überzeugungen angeht. Diesen Willen betont sie öfter, auch als Bedingung für Fortschritte in der politischen Zusammenarbeit: „Wo verlangen wir Kooperation?! Es geht net ums Fingerzeigen, es geht net darum, Verantwortung abzuschieben, [...] es geht darum, dass wir die Zusammenarbeit brauchen!“
Konkrete Kommunikation
Auffällig, auch im Vergleich mit anderen Kandidat:innen: Meinl-Reisinger antwortet so konkret wie möglich. So nennt sie beispielsweise spezifische Beispiele für Einsparungsmöglichkeiten: „Diese hohe Parteienförderung [...], die gehört halbiert!“, was erstens zeigt, dass sie bereits einen Plan hat, und zweitens, dass sie auch bereit ist, bei der Politik selbst zu sparen.
Keine Scheu vor unangenehmen Wahrheiten
Ein weiteres Verhalten, das sie vertrauenswürdig erscheinen lässt, ist ihre Bereitschaft, auch deutlich unangenehme Wahrheiten auszusprechen und dem Publikum zuzumuten: „Und weil sie mich ja gefragt haben, wegen dieser Pensionsreform, ich möchte ihnen da nicht ausweichen. Wenn sie mittel bis langfristig ausgabenseitig reformieren, sodass wir endlich wieder Menschen entlasten können, dann sagen Ihnen das alle, werden Sie um eine Pensionsreform nicht umhinkommen.“
Dabei argumentiert sie sachlich, dass seit den 1970er Jahren die Lebenserwartung um mittlerweile acht oder neun Jahre gestiegen sei und erlaubt sich laut und deutlich auszusprechen: „[...] das weiß ja jeder, das geht sich nicht aus!“ Das ist nicht unbedingt populär. Aber sie zeigt damit im Grunde Respekt für die Bürger:innen, indem sie sich erlaubt, ihnen auch Unangenehmes zuzutrauen, anstatt sie zu belügen.
(Bild: NEOS/Montage)
Hier geht es zur Analyse der einzelnen Gespräche
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