Zum Inhalt springen

Wo ist unsere Freiheit geblieben?

Maria Lutz
Maria Lutz

Vor einem Jahr war die Hoffnung groß: auf ein Ende der akuten Covid-19-Pandemie und einen politischen Neustart in Österreich. Auf frische Zuversicht, wiedergewonnenes Vertrauen in das politische System – und, vor allem, mehr individuelle Freiheit. Doch dann kam es nicht einfach nur anders – sondern der Krieg zurück nach Europa. Die Inflationsrate kletterte auf ihren höchsten Stand in 50 Jahren. Korruptionsskandale erschütterten das Land, schleppende Aufklärungsversuche und ausbleibende Reformen zermürbten das Vertrauen in die Politik – und drückten das Freiheitsgefühl der Österreicher:innen auf einen Tiefpunkt: Das ernüchternde Ergebnis des Freiheitsindex 2022.

Foto: Hannah Zhyhar via Unsplash.

Bereits zum 5. Mal hat SORA den „Freiheitsindex Österreich“ im Auftrag des NEOS Lab erhoben: Er misst das individuelle Freiheitsgefühl der Menschen in Österreich sowie deren Einstellung gegenüber demokratischen Grundfreiheiten. Gaben 2018, im Jahr der ersten Messung, noch 54% der Österreicher:innen an, dass sie ihr Leben als „frei“ empfinden, waren es 2022 nur noch 39%.

Die gesamte Studie im Überblick und zum Download findet ihr hier. 

Die Erhebung davor, im Jahr 2021, wurde direkt vor Beginn des letzten Lockdowns durchgeführt. Dass sich im Jahr 2022 – dem ersten Jahr seit Pandemiebeginn, welches annähernd ohne harte Restriktionen auskam – weiterhin knapp ein Viertel der Menschen (eher) „unfrei“ fühlt, ist alarmierend.

Schlechte finanzielle Zeiten

Einer von mehreren Gründen für das schwindende Freiheitsempfinden ist sie: Die immer weiter um sich greifende „Sorge ums Geld“. Seit Beginn der Pandemie erhebt der Freiheitsindex, wie es um die finanzielle Situation der Menschen in Österreich bestellt ist. Entgegen der Vorjahre, in denen primär das untere ökonomische Drittel betroffen war, ist 2022 eine deutliche Verschlechterung der finanziellen Situation auch in der gesellschaftlichen Mitte zu beobachten. Das ist ein Befund, der angesichts der Milliarden an Subventionen mit der Gießkanne und den neuen Schulden dafür besonders schmerzt.

Besonders stark betroffen ist hier die Gruppe der 30-44-Jährigen: Gerade Personen jenes Lebensabschnitts, der oft von Familiengründung und dem Erwerb von Eigentum geprägt ist. Doch scheint der Traum, sich in Österreich aus eigener Kraft und Leistung Vermögen aufbauen zu können, für die meisten ohnehin geplatzt. „Egal, wie sehr man sich anstrengt, es ist kaum noch möglich, mit eigener Leistung Eigentum zu erwerben:“ Dieser Aussage stimmen 2022 bereits 77% der Befragten zu. Doch gerade in der Mitte der Gesellschaft ist die eigene Selbstwirksamkeit – das Vertrauen darauf, es aus eigener Anstrengung zu schaffen – wichtig.  

…aber manche sind gleicher als gleich.

„Dass ökonomische Ungleichheit die Freiheit dämpft, zeigt der Freiheitsindex seit Beginn der Erhebung auf.“, erklärt Günther Ogris, Geschäftsführer und wissenschaftlicher Leiter von SORA. „Die Pandemie und die Teuerung haben diesen Befund noch einmal verschärft. Existenzsorgen und das Gefühl, ungleich behandelt zu werden, sind Gift für die Freiheit.“ Tatsächlich zeichnen die Daten ein bedrückendes Bild: Das Gefühl, von der Politik als Menschen zweiter Klasse behandelt zu werden, hat sich 2022 weiter verstärkt, mittlerweile teilen mehr als die Hälfte der Befragten (56%) diese Meinung.

Ein Anstieg von immerhin 8% im Vergleich zum Vorjahr, der nicht zuletzt auf die Vertrauenskrise in der Politik zurückzuführen ist. Eine Vertrauenskrise, die in immer neuen Korruptionsskandalen- und Vorwürfen wurzelt und mittlerweile bis in die Mitte der Gesellschaft gewachsen ist: 71% der Menschen sind 2022 der Ansicht, politische Eliten würden sich ausmachen, was in Österreich passieren soll.

Psychische Gesundheit als große Herausforderung

In Anbetracht all dieser „Krisen“ scheint es, wenn auch alarmierend, wenig verwunderlich, dass sich das psychische Wohlbefinden der Menschen im letzten Jahr kaum erholen konnte. Trotz Entspannung der Gesundheitskrise geben 2022 immer noch 38% der Menschen an, dass sich ihre psychische Gesundheit seit 2020 verschlechtert hat. Besonders betroffen von dieser Verschlechterung scheinen einmal mehr „die Jungen:“ Knapp die Hälfte (49%) der Unter-29-Jährigen gibt eine Abnahme ihres mentalen Wohlbefindens an. Und gerade wenn die psychische Gesundheit eingeschränkt ist, wird auch das individuelle Freiheitsgefühl als eingeschränkt wahrgenommen.

Und jetzt?

Wie bereits im vergangenen Jahr (2021) hat der Freiheitsindex auch 2022 untersucht, wie eine Stärkung des persönlichen Freiheitsgefühls der Menschen gelingen kann. Als erfolgsversprechend zeigen sich laut SORA-Analyse vor allem eine Verbesserung der ökonomischen Rahmenbedingungen sowie Maßnahmen gegen den Vertrauensverlust in die Politik. Vorschläge dazu gibt es natürlich in unseren Policy Briefs, von einer Steuerreform für leistbare Immobilien über Strategien, um von den hohen Staatsschulden herunterzukommen bis zu den Reformen im politischen System gegen die Korruption.

Vielleicht interessieren dich auch diese Artikel

energy-crisis-g61894e5af 1280-1280x720
25.05.2023Lukas Sustala2 Minuten

Die energiepolitische Planlosigkeit kommt uns teuer zu stehen

Die EU-Kommission vermisst in einer aktuellen Studie einen konkreten Plan zum Ausstieg aus russischem Gas und warnt vor Risiken für die Energieversorgung. Zu Recht.Bild: analogicus/Pixabay

Die energiepolitische Planlosigkeit kommt uns teuer zu stehen
Clemens Ableidinger (NEOS-Lab), Klaus Vavrik (österr. Kindergarantie), Franziska Haberler (MS Staudingergasse), Christoph Wiederkehr (Vizebgm. Wien)
23.05.2023Clemens Ableidinger1 Minute

Österreich zum Bildungsweltmeister machen

Die Unternehmer:inneninitiative Aufschwung Austria lud zum Bildungs-Talk im Palais Epstein.

Österreich zum Bildungsweltmeister machen
inflation anheizen teuerung LAB BLOG - pexels-panos-and-marenia-stavrinos-9648165-4016x2261
19.05.2023Lukas Sustala3 Minuten

Wie der Staat die Inflation unnötig verschärft

Der Staat verschärft die Teuerung in dreifacher Hinsicht. Erstens heizte er mit unserem Steuergeld die Nachfrage zusätzlich an. Zweitens geben die (teil)staatlichen Energieunternehmen die gesunkenen Großhandelspreise nur langsam weiter. Drittens ernten wir alle die Versäumnisse der Wettbewerbspolitik.Foto: Panos and Marenia Stavrinos / pexels.com

Wie der Staat die Inflation unnötig verschärft

Melde dich für unseren Newsletter an!